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Meinung: Alle Neune

Klares Profil, honorige Ansichten: Merkels Kompetenzteam hat Potenzial

Das Urteil stand fest, bevor er ein Wort gesagt hatte. Paul Kirchhof sei ein Platzhalter, Finanzminister werde jemand anders. Er sei Steuerexperte, aber von Haushalt und internationaler Finanzpolitik wisse er nichts. Er stehe dafür, dass wieder nur über Steuern, nicht über wirklich wichtige Themen geredet werde.

Nun, da Kirchhof öffentlich auftritt, widerlegt sich manches. Aus der Union heißt es, er komme als Finanzminister in Frage. Er selbst sagt, er wolle vom Wähler beim Wort genommen werden. Den ersten Akzent legt er nicht auf Steuerpolitik, sondern er fordert mehr Kindergeld und Gerechtigkeit. Und es tritt auch kein Schmalspurwissenschaftler in die politische Arena – seine Vita muss der Professor kaum gegenüber Finanzminister Hans Eichel oder dessen Vorgänger Oskar Lafontaine rechtfertigen: Der eine war mal Lehrer, der andere Physiker, beide sind seit Jahrzehnten Berufspolitiker.

So war der Umgang mit Kirchhof ebenso unfair wie symptomatisch. Die Stimmung in Deutschland wird offenbar bisher nicht so sehr durch den Wunsch geprägt, Angela Merkel zur Kanzlerin zu machen, sondern Schröder abzulösen. Das hat den Blick auf ihr Politikangebot und ihre Möglichkeiten verstellt.

Nun bleibt das Programm der Union in vielen Details vage, aber wer ihr „Kompetenzteam“ unvoreingenommen betrachtet, erkennt neben Merkel neun Menschen mit klarem Profil und honorigen Überzeugungen. Man muss nicht wie Merkel von „einer starken Truppe“ sprechen und kann doch eine Gruppe kluger Denker und Macher erkennen.

Wolfgang Schäuble ist unbestritten einer der Klügsten, Günther Beckstein steht nicht wirklich rechts von Otto Schily und definiert sich durch seinen evangelischen Glauben, Ursula von der Leyen und Annette Schavan verstehen viel von ihren Ressorts, Peter Müller hat sich selten von Parteigrenzen einengen lassen.

Dass dieses Team nicht stärker und seine Machtbasis klein ist und es zudem noch wenige Rückschlüsse auf ein Kabinett zulässt, kann man Merkel nicht anlasten – eher schon Edmund Stoiber und den CDU-Ministerpräsidenten, die das Ausmaß ihrer Mitarbeit erst bestimmen wollen, wenn der Sieg in trockenen Tüchern ist.

Aber wie schlimm wäre es eigentlich, wenn sich diese Mitarbeit in Grenzen hielte, also zum Beispiel Stoiber in Bayern bliebe? Dann ließe das „Kompetenzteam“ erahnen, wie der Unionspart des nächsten Kabinetts aussähe. Und: Kirchhof, Schäuble und die anderen der Neuner-Gruppe wären nicht die schlechteste Wahl.

Offen bliebe, ob man weiter von „Durchregieren“ sprechen könnte. Auch Merkel würde wohl manche Blockade erleben. Na und? So schwach wie Schröder im Ringen mit dem Bundesrat wäre sie nicht. Dieser Frau, die sich mit ihrer Ost- Biographie in der CDU in Rekordzeit durchgesetzt hat, die das Denkmal Kohl vom Sockel gestürzt und fast nebenbei Schäuble als Partei- und Fraktionschef abgesetzt hat – der kann man zutrauen, größte strukturelle Widerstände zu überwinden. „Keine Entscheidung gegen irgendjemanden“ lasse sich an ihrem Team ablesen. Vielleicht hätte es Charme, wenn dieser Satz Merkels sich als falsch erwiese. Mehr Aufbruch wäre möglich.

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