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Meinung: Alles rächt sich, irgendwann

Amerika hat gewählt – und George W. Bush bestraft, der jeden verprellt hatte

Das ist sein Ende. Kraftlos und geschlagen liegt er am Boden, Ideen und Konzepte sind ihm ausgegangen. Den Staatsapparat hat er aufgebläht, ein riesiges Haushaltsplus in ein gigantisches Minus verwandelt, Sex-Skandale und Korruptionsaffären haben ihm und seiner Partei den Nimbus der Grundanständigkeit geraubt. Seine erste und letzte Niederlage als Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika ist schmählich. Am Wahltag war er mit der niedrigsten Zustimmungsrate an die Urne gegangen, die seit 1946 ein amtierender US-Präsident hatte.

Weitere zwei Jahre noch residiert George W. Bush im Weißen Haus. Viel zu erwarten ist nicht mehr davon. Zum Glück. Diesen Präsidenten sieht die Welt lieber gelähmt als aktionistisch. Und eine Mehrheit der Amerikaner hat sich dem Urteil angeschlossen. Die Gouverneurs- und Kongresswahlen wurden, wie immer, auch von lokalen Themen beherrscht. Aber in erster Linie waren sie ein Referendum über Bush.

Um ihn wird es jetzt einsam. Sein Vater war gescheitert, weil er zu wenig für die Konservativen getan und zu weit in die Mitte gerutscht war. Bush Junior ist gescheitert, weil er schließlich alle verprellte: die Liberalen ohnehin, aber auch die eigene Klientel. Seine Religiosität blieb praktisch folgenlos, an die Themen Abtreibung und Homo-Ehe traute er sich nie ran, im Geldausgeben war er groß, den Washingtoner Bürokratismus hat er verstärkt, den Folgen eines Hurrikans wie „Katrina“ steht er hilflos gegenüber. Was soll ein Konservativer an solcher Politik attraktiv finden?

Entscheidend indes war das Fiasko im Irak. Vielleicht ist dort die Schwelle vom Chaos zum Bürgerkrieg bereits überschritten. Dass durch diesen Krieg die Welt sicherer vor Terroristen geworden ist, wie Bush bis heute behauptet, glaubt er selbst wahrscheinlich nicht mehr. Doch was tun? Fliehen wie einst aus Vietnam? Oder bleiben und immer mehr eigene Opfer beklagen? In ein Gefühl der Ausweglosigkeit hat Bush sein Land gesteuert. Dafür wurde er bestraft.

Denn nicht etwa die Demokraten wurden gewählt, sondern Bushs Republikaner abgewählt. Überhaupt sind die Liberalen, was Konzepte oder gar Visionen betrifft, kaum einen Deut besser aufgestellt als die Konservativen. Von einer im Prinzip schwachen Opposition geschlagen worden zu sein, vergrößert freilich das Debakel für die Amtsinhaber. In zwei Jahren, bei den Präsidentschaftswahlen, wird nur der Republikaner eine Chance haben, der nicht allzu eng mit Bush verbandelt war.

Die amerikanische Gesellschaft als solche, darüber sollte man sich in Europa keine Illusionen machen, bleibt indes eher konservativ geprägt. In der Außenpolitik werden nationale Interessen, egal, wer regiert, auch künftig wichtiger sein als etwa das hehre Prinzip des Multilateralismus. Auf einigen anderen Gebieten aber – Umweltschutz, Völkerrecht – nähern sich die USA kulturell Europa an. Und der alte Kontinent revanchiert sich: Plötzlich wird auch hier über Moral, Familie, Leistung, Elite debattiert. Bush ist am Ende. Doch nicht allein deshalb dürfen Amerikaner und Europäer auf ein besseres Einvernehmen hoffen.

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