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Meinung: Als in China ein Sack Gen-Reis umfiel

Die EU versagt bei der Kontrolle von Gen-Lebensmitteln

Alexander S. Kekulé Wen kümmert es schon, wenn in China ein Sack Reis umfällt? Oder zwei Säcke verwechselt werden? Die EU jedenfalls hat Reisimporte aus China, den USA und anderen Ländern mit laxeren Genfood-Gesetzen bislang nicht systematisch kontrolliert. Auch dass Forscher der Universität Wuhan im Jahre 2005 nicht zugelassenen Gen-Reis illegal an die umliegenden Bauern verkauften, brachte die EU-Aufseher nicht aus der Ruhe.

Ein Jahr später entdeckte Greenpeace dann den chinesischen Gen-Reis in europäischen Verkaufsregalen: Eine auch in China nicht zugelassene Laborsorte, der ein künstliches Gen mit Namen „Cry1Ac“ Widerstandsfähigkeit gegen Pflanzenschädlinge verleihen soll. Cry1Ac verursacht in Mäusen eine starke Immunreaktion und gilt deshalb als möglicherweise allergieauslösend. Was es beim Menschen bewirkt, weiß niemand: Bisher wurde überhaupt keine mit Cry1Ac genmanipulierte Pflanze systematisch getestet, von einer Zulassung als Lebensmittel ganz zu schweigen. Immerhin scheint der Cry1Ac-Reis in Deutschland nur in bestimmten Asianudeln gewesen zu sein, die inzwischen zurückgezogen oder verspeist sein dürften.

Bei Langkornreis aus den USA ist das Problem schon einige Säcke gewichtiger – 255 000 Tonnen davon hat Europa im vergangenen importiert. Im August fanden deutsche Kontrolleure in einem Fünftel von 162 untersuchten Packungen Verunreinigungen mit dem Gen-Reis „LL601“. Auch in mindestens acht weiteren EU-Ländern tauchte die in den USA und in Europa nicht zugelassene Sorte auf. Die Forderung der EU, dem illegalen Import umgehend einen Riegel vorzuschieben, stieß bei den amerikanischen Behörden jedoch auf wenig Gegenliebe. Dort ist praktisch die ganze Ernte des Jahres 2005 mit LL601 verunreinigt. Das ursprünglich von der (heute zu Bayer gehörenden) Firma Aventis Cropscience entwickelte Saatgut war zwischen 1998 und 2001 in Freilandversuchen getestet worden. Eine Zulassung als menschliches Nahrungsmittel wurde nie beantragt. Wie das seit 2001 offiziell nicht mehr verwendete experimentelle Saatgut in die Ernte von 2005 kam, ist unbekannt.

Die Sorte LL601 wurde nie auf Verträglichkeit getestet. Sie enthält das Bakterien-Gen „PAT“, das Widerstandfähigkeit gegen einen Unkrautvernichter („Basta“) verleiht – so können die Farmer größere Mengen des Unkrautmittels auf die Felder bringen, ohne die Erträge zu gefährden. Weil das PAT- Gen auch in einer anderen, in den USA zugelassenen Reissorte enthalten ist, gilt LL601 bei der US-Lebensmittelaufsicht als unschädlich. Außerdem liegt die Verunreinigung bei nur etwa fünf von 10 000 Reiskörnern. Die Aufregung der Europäer um ein halbes Promille Genfood ist in den Augen der US-Behörden eine Schikane, um einmal mehr den freien Handel zu behindern.

Jetzt will die EU endlich durchgreifen: Vergangenen Donnerstag beschloss die Kommission Pflichttests für alle Langkornreis-Lieferungen aus den USA. Angesichts des Ausmaßes der Verunreinigung mit LL601 – und womöglich weiteren Genreis-Sorten – in den USA könnte dies das Ende der US-Importe bedeuten.

Zwar hat das Basta-Gen „PAT“ in zahlreichen zugelassenen Sorten Reis, Soja und Raps offenbar keine schädlichen Auswirkungen auf den Menschen. Wie neuere Untersuchungen zeigen, ist die Vorsicht der EU jedoch durchaus berechtigt. Australische Forscher stellten kürzlich mit Entsetzen fest, dass ein natürliches Gen aus Bohnen stark allergisierend wirkt, wenn es in Erbsen verpflanzt wird: Der Stoffwechsel der Erbsen produziert aus dem harmlosen Bohnengen eine veränderte Substanz, an die ungewöhnliche Zuckermoleküle angehängt wurden. Dieses in der Natur neuartige Produkt ist dem Immunsystem so fremd, dass es Allergien auslöst.

Die Forderung der EU, jedes gentechnisch veränderte Lebensmittel individuell und gründlich zu testen, ist deshalb berechtigt. So lange das nicht geschehen ist, muss für Genfood die Null-Promille-Grenze gelten. Vielleicht ziehen die gentechnikverliebten US-Farmer eine Lehre daraus.

Der Autor ist Institutsdirektor und Professor für Medizinische Mikrobiologie in Halle. Foto: J. Peyer

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