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Gründungsparteitag der "Alternative für Deutschland".

© AFP

Alternative für Deutschland: Vor allem gegen die Kanzlerin

Bei der „Alternative für Deutschland“ geht es nur vordergründig um Kritik am Euro. Eigentlich geht es viel mehr um Angela Merkels Wendemanöver und den Unmut über die Politik der Bundesregierung. Das Parteiprogramm der AfD bleibt auch deshalb spärlich.

Wer sich für das Gründungstreffen der „Alternative für Deutschland“ (AfD) akkreditieren wollte, der konnte das nur per Fax tun. Auch vom sonstigen Erscheinungsbild her wahrte der Kongress der Euro-Gegner größtmögliche Distanz zu den Treffen der Piratenpartei: Selbst die sonst so allgegenwärtigen Tablet-Computer waren selten zu sehen, nur einer von 1300 Teilnehmern verlangte das lokale Wlan-Passwort. Es dominierten eher graumelierte Herren in großkarierten Tweed-Sakkos.

Dennoch sind Piraten und Euro-Gegner nicht so weit voneinander entfernt, wie es zunächst scheint. „Wir sind weder links noch rechts“, rief AfD-Parteigründer Bernd Lucke in den Saal. So ähnlich hatte das auch schon beim Aufstieg der Piraten geklungen; und auch die eher allgemeine Kritik an der Abgehobenheit „etablierter Altparteien“ gehörte zum Gründungsmythos hier wie dort. Noch eine Parallele wird deutlich: Beide Parteien erklären ihre Existenz aus einem einzigen Thema heraus – jetzt ist es der Euro, damals war es die Freiheit des Internets.

Doch so wenig wie die Piraten Wähler anlockten, weil diese sich plötzlich für Netzpolitik interessierten, so wenig geht es bei der AfD in Wahrheit um Währungsfragen. Paradoxerweise gründet sich die Anti-Euro-Partei gerade zu einem Zeitpunkt, an dem der Euro in Deutschland laut Umfragen so beliebt ist wie nie zuvor. Genauso widersprüchlich ist es, dass vor allem wütende Ex-Mitglieder von CDU und FDP das Rückgrat der neuen Partei bilden, wo doch die Union unter Merkel demoskopisch so erfolgreich dasteht wie seit 20 Jahren nicht mehr.

Das eigentlich Erstaunliche an dem Berliner Gründungsparteitag war deshalb die tiefe Verachtung, die sich immer dann Bann brach, wenn wahlweise die Namen „Angela Merkel“, „Wolfgang Schäuble“ oder „Rainer Brüderle“ in den Raum geworfen wurden. Hier beklagte ein Teil des deutschen (Klein-)Bürgertums den Verlust einer politisch-kulturellen Heimat, einen Entzug an Sicherheit und Berechenbarkeit.

Merkels abrupte Wendemanöver wiegen schwer in diesen Kreisen – dabei können auch viele Konservative durchaus einsehen, dass die Wehrpflicht am Ende ist und die Atomkraft keine Zukunft mehr hat. Der Zorn scheint eher daher zu rühren, dass man bei dieser Regierung Sekundärtugenden vermisst. Ein Mangel an Zuverlässigkeit wird im Hinblick auf die Politik von Schwarz-Gelb (Lucke: „Allenfalls ein paar Hoteliers verstehen sie“) genauso beklagt, wie ein Übermaß an Unredlichkeit bei Banken und Finanzinvestoren. Immer wieder war von Sparsamkeit die Rede. Es klang fast so, als müsse zuallererst die „schwäbische Hausfrau“ Merkel selbst AfD wählen.

Auch die Parteigründer scheinen zu ahnen, dass es in Wahrheit nur vordergründig um den Euro geht. Auch deshalb versuchen sie, die Debatte über andere Themenfelder möglichst klein zu halten – und sich Peinlichkeiten zu ersparen. Nur so ist es zu erklären, dass zunächst eine Art Blanko-Wahlprogramm beschlossen wurde, über das erst am späten Abend diskutiert wurde. Eine Verbreiterung des Themenspektrums wäre auch das Schlechteste, was der „Alternative“ im Moment passieren könnte. Die Kritik am Euro ist der Schutzschild, unter dem bis zur Wahl im September ein generelles Gefühl der Heimatlosigkeit transportiert werden kann.

Vielleicht verlässt die Gründer der AfD aber auch schon vorher der Mut. Denn bevor überhaupt über die Besetzung des Vorstands abgestimmt wurde, debattierte der Parteitag schon darüber, welches Gremium denn für den Abschluss von Koalitionsverhandlungen zuständig ist. Das haben noch nicht mal die Piraten geschafft.

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