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Meinung: Am Anfang war das Wort

„Der Klassenkampf lebt“ vom 4. Januar Vorweg: In Mecklenburg-Vorpommern waren vor der sogenannten Bodenreform etwa 2100 Betriebe betroffen; in den 20 Jahren der Einheit kehrten davon lediglich etwa 130 Betroffene in ihre Heimat zurück – also sechs Prozent!

„Der Klassenkampf lebt“ vom 4. Januar

Vorweg: In Mecklenburg-Vorpommern waren vor der sogenannten Bodenreform etwa 2100 Betriebe betroffen; in den 20 Jahren der Einheit kehrten davon lediglich etwa 130 Betroffene in ihre Heimat zurück – also sechs Prozent! Wo blieben die restlichen 94 Prozent? Weswegen diese Aufregung? Ich bin es meiner Mutter schuldig, die 1945 innerhalb von zwei Stunden mit drei Kleinkindern von Haus und Hof vertrieben und des Kreises verwiesen wurde. Ich bin es meiner Großmutter – bei der ich anschließend aufwuchs – schuldig, die bei Güstrow drei km vom „Bodenreform-Denkmal“ einen 50ha-Hof bewirtschaftete und innerhalb von 24 Stunden 1953 verjagt wurde – der verantwortliche SED-Genosse Timmermann aus Güstrow damals: „1953 ist es uns gelungen, die konterrevolutionäre Bande der Großbauern zu liquidieren“.

Es heißt nicht „Bauernland in Junkerhand“, es hieß auch nicht „Junkerland in Bauernhand“, sondern auf allen Plakaten prangte der vollständige Spruch: „Junkerland in Bauernhand – Rottet dieses Unkraut aus“ – abgebildet waren Menschen als Unkraut, die mit kräftigem Spatenstich abgestochen wurden. Dies war der Slogan zu der sogenannten Bodenreform. Es waren nicht hohle Worte, es wurde auch so verfahren: wer sich wehrte, kam nach Fünfeichen, Buchenwald oder Rügen – und verschwand – oder er wurde gleich auf dem Weg dorthin von hinten erschossen. Dies war die Politik unter Walter Ulbricht zur Zeit des schlimmsten Stalinismus. Und zu ihrer Verherrlichung dieses „Bodenreformdenkmal“. „Unkraut“, „Ungeziefer“, „liquidieren“, dann „ausrotten“ – am Anfang war das Wort. Diese „Bodenreform“ ist nicht mit heutigen sozialen Reformen zu verwechseln wie z. B. Rentenreform. Es ging nicht primär um die Versorgung der Bevölkerung, der Flüchtlinge und Vertriebenen, es war der Beginn der Vernichtung einer Klasse und des Privateigentums bis zum Ende der DDR. Agrarminister Till Backhaus geißelt die Änderung des Flächenerwerbsänderungsgesetzes als „Klientelpolitik in Reinkultur“. Bevor das „Bodenreformdenkmal angetastet“ wurde, war der Ministerpräsident von M-V, Berndt Seite, 1994 nur etwas deutlicher: „Sollten die Alteigentümer das Recht erhalten, ihre Flächen zurückzukaufen, werden wir dem Entschädigungsgesetz nicht zustimmen. Die Bodenreform ist unantastbar.“ Nicht einmal mehr zurückkaufen? – Im Innersten also doch noch immer stalinistisch und diskriminierend? Auch nach 20 Jahren Einheit tut Aufklärung not – man ist es den Opfern schuldig.

Dr. B. von Maltzan, Moltzow

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