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Meinung: Amerika ohne Hinterhof

Der Putsch in Honduras erinnert an vergangene Tage – an Guatemala 1954, Brasilien 1964, Chile 1973, Granada 1983. Aber die USA scheinen diesmal ihr Händchen, das in Lateinamerika meist eine Faust war, nicht im Spiel zu haben. Sie haben dazugelernt.

Wie sich die Szenen gleichen: Nervöse Soldaten in den Straßen, Flugzeuge dröhnen über die Häuser, die Stromversorgung ist unterbrochen. Mit einem Putsch wie aus dem Bilderbuch erwachten am Sonntagmorgen acht Millionen Honduraner aus dem Schlaf. Die Militärs des mittelamerikanischen Landes hatten Präsident Manuel Zelaya im Bett überrascht und ihn – noch im Pyjama – per Flugzeug nach Costa Rica verfrachtet. Gleichzeitig wurden Minister verhaftet und eine falsche Rücktrittserklärung Zelayas verbreitet. Nur Stunden später schon war ein neuer Präsident vereidigt.

Der Ablauf erinnert an längst vergangene Tage, als linksgerichtete Regierungen in Lateinamerika fast stündlich mit Militärcoups zu rechnen hatten. So wie in Guatemala 1954, in Brasilien 1964, in Chile 1973, in Granada 1983. Die Vorzeichen in Honduras stehen ähnlich: Ein Präsident, der von den Gewerkschaften unterstützt wird und verspricht, die bittere Armut im Land zu beseitigen, wird von einer Clique aus Großgrundbesitzern, Unternehmern, Armee und Klerus beseitigt. Sie behaupten, die „Demokratie“ – dieses Zauberwort der Selbstlegitimation – sei nun vor einem Tyrannen gerettet worden.

Und doch ist in Honduras etwas anders. Die USA scheinen diesmal ihr Händchen, das in Lateinamerika meist eine Faust war, nicht im Spiel zu haben. Noch vor sieben Jahren half die CIA tatkräftig mit, Hugo Chávez zu stürzen, und der damalige US-Präsident George W. Bush begrüßte den Putsch gegen seinen venezolanischen Kollegen ausdrücklich. 48 Stunden später kehrte Chávez dann auf Druck der Massen triumphierend zurück – und die USA hatten einmal mehr bewiesen, dass Lateinamerika für sie nichts anderes als der berühmte Hinterhof ist, in dem man imperial schalten und walten kann.

Barack Obama scheint aus dem chauvinistischen Auftreten seiner Vorgänger gelernt zu haben. Der US-Präsident brauchte nicht lange, um den Coup gegen den Chávez-Verbündeten Zelaya als „antidemokratisch“ zu verurteilen. Und so als ob er ahnte, dass sogleich die Verschwörungstheorien ins Kraut schießen würden, versicherte er, dass das Weiße Haus nichts mit der Sache zu tun habe.

Dabei gibt es durchaus einiges an Manuel Zelaya auszusetzen: Gegen den Willen der Justiz und des Parlaments wollte er am Sonntag die Honduraner unbedingt über eine Verfassungsänderung abstimmen lassen, die ihm eine weitere Amtszeit ermöglicht hätte.

Dass die Eliten in Honduras aber die Frage der Amtsperiode, die zurzeit in vielen Ländern Lateinamerikas diskutiert wird, zum Anlass für einen Putsch genommen haben, zeigt, wie wenig sich in Zentralamerika an den Machtverhältnissen zwischen den wenigen Reichen und den vielen Armen geändert hat. In Honduras, auf das der Begriff von der Bananenrepublik zurückgeht, in der Regierungen einzig privatwirtschaftlichen Interessen dienen, befinden sich die Eliten mental offenbar immer noch im 20. Jahrhundert. Vom frischen Wind in Washington scheinen sie nichts mitbekommen zu haben.

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