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Meinung: An Ort und Stelle abgestraft

Das Berufsbild des Generalsekretärs schillert ziemlich stark. Geprägt wird es immer noch von Erich Honecker und seinen realsozialistischen Kollegen, die sich mit vierstündigen Reden zur Wahl stellten und zum Dank dafür, dass sie endlich aufhörten, mit 99 Prozent der Stimmen im Amt bestätigt wurden.

Das Berufsbild des Generalsekretärs schillert ziemlich stark. Geprägt wird es immer noch von Erich Honecker und seinen realsozialistischen Kollegen, die sich mit vierstündigen Reden zur Wahl stellten und zum Dank dafür, dass sie endlich aufhörten, mit 99 Prozent der Stimmen im Amt bestätigt wurden. Generalsekretär – das war der oberste Diener seiner Partei, einer, der immer alle Strophen der wichtigsten Arbeiterlieder auswendig kannte und seinen Mitgliedsausweis auch in der Badewanne nicht aus der Hand gab. Aber ist Olaf Scholz so einer? „Abgestraft“ wurde er jetzt, lesen wir überall, offenbar eine Verschärfung der einfachen Bestrafung, die auf Politiker nicht mehr angewendet wird. Gut 52 Prozent sind ein Ergebnis, für das man im Sozialismus unmittelbar nach der Auszählung abgeholt worden wäre. Scholz hat Glück: Er kann bleiben und wird nur von der Presse gequält. Ob er denn an Rücktritt gedacht habe? Na, sagt er, „das ist eine autochthone Spekulation“. Hä? Brüder, zur Sonne, zum Brockhaus. „An Ort und Stelle entstanden“ heißt es dort. Aber was bedeutet das für den Rücktrittsgedanken? Gibt es ihn? Ist er aus dem Parteitag entstanden? Nach Schröder, dem Autokanzler, nun Scholz, der Autochthongeneral – man beginnt, die Delegierten zu verstehen. Denn eher geht die Sozialdemokratie ganz unter, als dass sie Altgriechisch zur Leitsprache ihrer Parteitage wählt.

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