zum Hauptinhalt

Meinung: Andauernder Ausnahmezustand

Fast schon Routine: Vor zwei Jahren stimmte der Bundestag zu, dass Deutschland sich an „Enduring Freedom“ beteiligt

Von Hans Monath

Zwei Jahre können eine lange Zeit sein. Als der Bundestag im November 2001 über den Einsatz der Bundeswehr im Kampf gegen den internationalen Terrorismus entschied, hielt das politische Deutschland den Atem an. Wenn das Parlament am heutigen Freitag das – etwas modifizierte – Mandat für „Enduring Freedom" zum zweiten Mal verlängert, werden außerhalb des Regierungsviertels nur wenige aufmerken. Ein bisschen seltsam ist das schon. Denn der Terror ist noch nicht besiegt, die Welt seither nicht sicherer geworden.

Kurz nach dem 11. September 2001 trieben Skeptiker und Kritiker von „Enduring Freedom" bei den Grünen und der SPD-Linken vor allem ideologische Probleme um. Gestritten wurde um Grundsatzfragen: Soll Deutschland an der Seite Amerikas faktisch Kriegspartei im Kampf gegen das afghanische Taliban-Regime werden? Nur weil die rot-grüne Koalition die Abstimmung mit der Vertrauensfrage verknüpfte, erreichte sie damals eine eigene Mehrheit.

Der Luftkrieg gegen Afghanistan ist lange vorbei. Einem zweiten Krieg der USA gegen die vermeintliche Al-Qaida-Basis Irak hat sich Berlin konsequent verweigert. Doch auch im Inland gelten neue Voraussetzungen: Inzwischen scheint die Skepsis gegen Auslandseinsätze in die bürgerliche Opposition abgewandert, wie kürzlich die Debatte über die Erweiterung des Afghanistan-Mandats wieder zeigte: Die FDP verweigerte sich ganz. Die meisten Unionsabgeordneten stimmten zögernd zu. Die Regierung musste versichern, die Bundeswehr werde in der Drogenprovinz Kundus nicht gegen den Drogenhandel vorgehen.

Die Generation, die noch mit einem klaren Verteidigungsauftrag der Bundeswehr und einem klaren Ost-West-Feindbild aufgewachsen ist, tut sich mit der neuen Herausforderung besonders schwer. In Kundus sind deutsche Soldaten angewiesen auf die Duldung durch lokale Machthaber, in deren Region der Opiumhandel floriert. Macht sich zum Komplizen, wer dagegen nicht vorgeht? Aber lässt sich mehr Stabilität für das Land auf anderen Wegen erreichen? Andere westliche Staaten haben mehr Erfahrung mit dem Umstand, dass in Krisen- und Kriegszeiten oft Bündnisse mit wenig demokratischen Kräfte nötig sind. Diese müssen aber auch ständig auf ihre Rechtfertigung und Übereinstimmung mit den propagierten Werten überprüft werden – und eigene Überzeugungen ständig überprüfen. Das gilt auch für die gegenwärtig größte Herausforderung an die deutsche Außenpolitik: Wie trägt man bei zur Beendigung des Irak-Konflikts, den andere Staaten gegen den eigenen Wunsch mit einem Krieg begonnen haben und mit einer Strategie zu Ende führen wollen, die man selbst für falsch hält?

Drücken kann sich vor solchen Aufgaben niemand. So ist es immerhin ein Fortschritt, wenn die Abgeordneten des Deutschen Bundestages sich inzwischen weniger für ihr eigenes Seelenheil und mehr für Risiken in fernen Weltgegenden interessieren, die Deutschlands Sicherheit beeinflussen und in die sie Soldaten schicken. Denn viel spricht dafür, dass es auch in künftigen Debatten über Auslandseinsätze und nicht-militärische Beiträge im Kampf gegen den Terrorismus keine einfachen Entscheidungen gibt. Die Deutschen müssen sich wohl mit dem Gedanken anfreunden, dass Kundus überall sein kann.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false