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16 Fotofilter für eine Milliarde Dollar: „Instagram“ wird Zuckerberg, weil nur er das kann

Es war einmal eine kleine App, mit der Menschen ihre Fotos ins Netz laden konnten. Und sie teilten sie. Das konnte die kleine App nach kurzer Zeit besser als Facebook - und erfolgreicher. Das hat Mark Zuckerberg geärgert, die Fotocommunity wurde zu stark. Jetzt hat er sie gekauft.

Ein Computernerd, der ständig bei den Frauen abblitzte und sich aus Rache an die Frauenwelt „I'm CEO, bitch“ auf seine Visitenkarte pinseln lies, kann es einfach nicht ertragen, wenn jemand besser ist als er. Das war 2004 bei der Gründung von Facebook so, als seine Mitgründer die besseren Frauen abkriegten und es ist so geblieben. Dumm ist nur, dass es zu einfach ist, wenn man nur von einem pickligen Nerd spricht, der Nachts auch mit Ende zwanzig noch einnässt und vor lauter Frust die Weltherrschaft an sich reißen will.

Die soziale Einsamkeit hat ihn clever gemacht, gerissen, pfiffig, ein Tausendsassa ist er geworden. Mittlerweile hat Mark Zuckerberg einen ganz eigenen Charme in der öffentlichen Wahrnehmung entwickelt und erreicht. Irgendwas zwischen Genie, Kampfunternehmer und Amokläufer. Man bewundert ihn, möchte ihm aber nach 24 Uhr nicht alleine auf der Strasse begegnen. Einem, dem wir unsere Kinder nicht für fünf Minuten anvertrauen würden, den wir als zukünftigen Schwiegersohn mit dem Pumpgun vom Hof jagen würden, dem schenken wir unsere Daten, jeden Tag. Und – damit das auch alles schön aussieht – laden wir jeden Tag ca. 250 Millionen Fotos bei Facebook hoch. Verrückt, völlig crazy! Das kann nur Mark Zuckerberg. Weil nur er das kann. Nur er kann das. Fast.

Instagram hat ein gutes Dutzend Mitarbeiter, die Fotocommunity gibt es erst seit zwei Jahren, und sie ist unglaublich schnell gewachsen. Und sie kann Fotos besser. Und sie kann das Fototeilen besser. Warum? Weil sie es kann! Das zwar auch. Die Wahrheit aber ist, dass die Instagram-User mit Leidenschaft ihre kleinen Kunstwerke, die es oft sind, teilen! Mit Überzeugung. Sie identifizieren sich mit Instagram. Und genau das sind die wertvollsten Merkmale, die zu einer erfolgreichen Marke gehören: Leidenschaft, Überzeugung, Identifikation. All das hat Mark Zuckerberg in der Summe mit Facebook noch nicht erreichen können. Er ist erfolgreich, gar keine Frage. Er hat die Weltherrschaft fast erreicht. Aber geliebt wird er nicht. Anführer wollen jedoch geliebt werden, schließlich geht es doch gar nicht mehr ohne sie, glauben sie. „Warum lieben die Leute Instagram, aber Dich nicht?“, fragte das Fragemonster Mark Zuckerberg seit 2 Jahren jeden Tag, sicher auch noch im Schlaf. Unerträglich für einen wie den Meister aller Liker und Teiler.  

Mit der Meldung „Facebook kauft Instagram“ ploppen die Meinungen der Experten auf. „Apple und Google wollten Instagram kaufen, Zuckerberg war nur schneller“, „Instagram ist eine mobile Community, Facebook noch lange nicht, und im Mobilgeschäft liegen die Milliarden der Zukunft“, oder auch „Zuckerberg hat sich einfach eben mal schnell 30 Millionen neue Nutzer gekauft“.

Zunächst hat er nicht mehr getan, als einen sehr radikalen Weg des Benchmarkings gewählt. Er hat einen Konkurrenten frontal angegriffen, ihn „zerschlagen“ und ihn weggekauft. Faktisch kauft sich Zuckerberg einfach mal eben schnell einen Markt. Ist ja nicht das erste Mal. In der Vergangenheit hat Mr. „I'm CEO, bitch“ mit allen aufgekauften Firmen ziemlich kurzen Prozess gemacht. Ihre Dienste wurden eingestellt, die Technik in den Facebook Giftschrank gesteckt, die Mitarbeiter in den Keller gesperrt. Das soll mit Instagram natürlich nicht passieren, lässt der Imperator heute verkünden. Und dies zeigt: Zuckerberg ist radikal, Zuckerberg ist und bleibt ein Nerd, Zuckerberg wird ohne Liebe jeden Abend weinend einschlafen, aber: Er ist clever. Und er kann es sich leisten. Nur er kann mal eben eine Milliarde raushauen.

Die Instagram-Entwickler Kevin Systrom und Mike Krieger haben aus Unternehmersicht alles richtig gemacht. Sie haben 16 Fotofilter programmiert, die Fotos einfach schnell schöner machen. Sie haben eine Plattform für Emotionen geschaffen, denn Bilder sind Emotionen. Sie haben eine App auf den Markt gebracht, das diese Emotionen transportierte. Sie sind am Ende aber auch den Pakt mit dem Teufel eingegangen und erlagen der Macht des Geldes. Sie haben die liebevolle und starke Marke Instagram aufgegeben und damit 30 Millionen User der Community an das blau-weisse Monster verkauft. Und im Orbit schwirren jetzt gefühlte 30 Millionen „gefällt mir nicht “-Daumen.

„Nun, da kauft einer eine Firma mit 13 Mitarbeitern für 1 Milliarde. Genauso gut hätte er ein Feuerwerk auf dem Mond abfeuern können (auf der Rückseite versteht sich)”, kommentiert Phil Daub (Ex-Viva-Moderator und Fotograf) das Ganze heute bei Facebook. Und drückt ein bisschen das aus, was die Instagram-Community fühlt.

Mike Kleiß ist Medien- und Markenexperte. Für den Tagesspiegel schreibt er als Gastautor. Sein Haupttätigkeitsfeld ist die Kommunikationsagentur "Medienhafen Köln".

Mike Kleiß

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