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Stefan Raab zieht sich aus dem Fernsehen zurück.

© SWEN PFOERTNER/dpa

Abschied von TV-Größen: Das Fernsehen wird auch ohne Stefan Raab und Günther Jauch überleben

In den USA gibt Jon Stewart die "Daily Show" auf, hierzulande ziehen sich Günther Jauch und nun auch Stefan Raab zurück. Dennoch gibt es noch genügend Gründe, Fernsehen zu schauen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Matthias Kalle

Am Donnerstagabend machte Jon Stewart in seiner „Daily Show“ in den ersten fünf Minuten nicht einen Witz. Er saß nur an seinem Schreibtisch und redete über das, was zuvor in South Carolina passiert war, in der Stadt Charleston, in einer Kirche, in der ein Weißer neun Schwarzer erschossen hat. Man kann sich diese fünf Minuten auf Youtube anschauen – eine kleine Demonstration in Sachen Anstand und Menschlichkeit und Wut und Haltung. Jon Stewart wird demnächst aufhören.

Am Mittwochabend kam die Nachricht, dass es Ende des Jahres vorbei sein wird mit dem Moderator Stefan Raab – und, dass Pro7 dann plötzlich sein halbes Programm fehlt: „TV Total“, „Schlag den Raab“ – und all die anderen eventlastigen Shows, in denen Menschen von Türmen springen, durch den Eiskanal rasen oder Karten spielen – manchmal alles auf einmal. Seit Mittwochabend schreiben Fernsehkritiker Nachrufe auf Raab. Die meisten sind der Meinung, dass er zum richtigen Zeitpunkt gehen würde. Einige sehen eine Ära zu Ende gehen, aber die sahen auch eine Ära zu Ende gehen, als Thomas Gottschalk Schluss machte mit „Wetten, dass...?“, dabei war das Einzige, das zu Ende ging, „Wetten, dass...?“.

Keine Sorge. Ich schreibe jetzt keinen Nachruf auf Stefan Raab – das wäre für schön blöd, denn Armin Lehmann und Kai Müller haben das für den Tagesspiegel bereits erledigt, und zwar so kenntnisreich und gut und richtig, dass jeder Satz mehr unnötig wäre (vielleicht nur ein halbfertiger Gedanke: Möglicherweise wird Raab ein großer Unvollendeter im deutschen Fernsehen sein, da er zwar mehr gemacht hat als alle anderen, er aber sein Herzensprojekt „Absolute Mehrheit“ nicht so zum Glänzen bringen konnte, wie es eventuell möglich gewesen wäre – denn, dass Raab sogar den politischen Talk konnte, bewies er beim sogenannten Kanzlerduell im Jahr 2013, aber auch das steht natürlich bereits bei den Kollegen).

Das ist Fernsehen, das ist Unterhaltung

Ach, als Fernsehkritiker darf man sich mitunter auch auf die Sommerpause freuen – das wird Günther Jauch wahrscheinlich auch tun: Zunächst wurde sein angekündigtes Talkshow-Ende mehr achselzuckend als kopfschüttelnd zur Kenntnis genommen, dann wurden die üblichen Interna über Streit und Gästeauswahl ausgeplaudert – und dann gab es noch am Montag das Fünfzigeurofragegate. Eine Kandidatin konnte bei „Wer wird Millionär?“ die Eingangsfrage nicht beantworten, worauf man Jauch in den sozialen Netzwerken mehr oder weniger unterlassene Hilfeleistung vorwarf. Am Freitag dann vermeldete „Bild“ den „Verlierer des Tages“ – das Fernsehen. „Warum soll man eigentlich noch Fernsehen schauen?“, fragte das Blatt.

Zum einen, um nicht „Bild“ lesen zu müssen. Zum anderen, wegen all der Momente, die diejenigen, die das Fernsehen lieben und wissen, was sie damit anstellen wollen, immer wieder erschaffen.

Im Jahr 2004 war Jon Stewart einmal zu Gast in der Talkshow „Crossfire“ auf CNN. Die beiden Moderatoren der Sendung waren gut drauf, sie wollten mit Stewart ein paar Scherze machen – über George W. Bush, den damaligen Präsidenten, und über John Kerry, seinen damaligen Herausforderer. Aber auch damals war Stewart nicht nach Scherzen zumute. Er sagte: „Sie (die Sendung) schadet Amerika. Dies ist, was ich euch sagen wollte: Hört auf... Ihr tragt Verantwortung gegenüber dem öffentlichen Diskurs, und ihr versagt jämmerlich.“ Stewart warf den Moderatoren vor, sie würden die Zuschauer nicht seriös und aufklärend informieren, sondern dazu beitragen, dass die amerikanische Gesellschaft zerfällt und die politische Debatte vergiftet werden würde. Der Sender CNN stellte die Sendung „Crossfire“ kurz danach ein und Verwies dabei auf Jin Stewarts Kritik.

Das ist Fernsehen. Das ist Unterhaltung. Das ist Haltung.

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