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Alexander Ritzmann.

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Terroralarm: Al Qaidas kleiner Sieg

Al Qaida hat Konjunktur. Seit Tagen überbieten sich Europäische Regierungen darin, vor Terroranschlägen zu warnen, nur um die Warnungen dann wieder zu relativieren. Europa erscheint als ein sicherheitspolitischer Hühnerhaufen.

In mehreren europäischen Städten sollten, so die Meldungen, nach dem Vorbild der Anschläge in Mumbai gleichzeitig öffentliche Ziele durch schwerbewaffnete Terroristen angegriffen werden. Die USA, Frankreich, Großbritannien und sogar Japan reden über die Terrorgefahr, die insbesondere in Deutschland drohe. Und vor allem reden sie alle durcheinander.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière wies hingegen darauf hin, dass es keine Veränderung der Sicherheitslage gebe, und warnte vor Alarmismus. Europas Bürger fragen sich zu Recht, was hier eigentlich gerade los ist. Steht nun ein Anschlag bevor? Wurde ein Anschlag vereitelt? Warnen die USA wirklich vor Reisen nach Europa? Und: Warum sind sich die Europäer nicht einig?

Anstatt die Bürger ruhig und kompetent über die Situation aufzuklären, erscheint Europa als ein sicherheitspolitischer Hühnerhaufen mit vielen sich teils widersprechenden Aussagen. Klar ist, dass die Aussagen des von den Amerikanern in Afghanistan festgenommenen Deutsch-Afghanen Ahmad Siddiqui zu Anschlagsplanungen in Europa von zusätzlichen unabhängigen Quellen bestätigt wurden. Das ist im Kern keine neue Erkenntnis, denn Al Qaida ruft seit Jahren zu Anschlägen in Europa auf. Bisherige Versuche wurden aufgrund der meist amateurhaften Vorbereitung und durch die erfolgreiche Arbeit der Sicherheitsbehörden - häufig mit Hilfe der Amerikaner - vorzeitig vereitelt. Und genau so verhielt es sich auch im aktuellen Fall: Europas Regierung wurden bereits vor vier Wochen über die Erkenntnisse der Amerikaner informiert.

Die Konfusion der letzten Tage entstand, weil der britische Sender Sky TV diese seit Wochen bekannten Erkenntnisse als neue und aktuelle Bedrohungslage darstellte, andere Medien sich unkritisch anschlossen und einige europäische Politiker offensichtlich versuchten, dies für innenpolitische Zwecke zu nutzen. Daraufhin gaben die USA einen Reisehinweis heraus, der amerikanische Staatsbürger in Europa zur "Wachsamkeit" anhielt. Hätte es den Beitrag auf Sky TV und die darauf folgende Hysterie nicht gegeben, wäre wohl auch kein amerikanischer Reisehinweis erlassen worden.

Am Ende wollten sich alle absichern, für alle Fälle eben. Thomas de Maizières Vorgehen hingegen war in diesem Zusammenhang bemerkenswert seriös.

Al Qaida ist weiterhin ein ernst zu nehmender Gegner. Die Anschlagspläne der letzten fünf Jahre gegen westliche Ziele zeigen jedoch, dass der Graben zwischen Wollen und Können groß ist, sehr groß sogar. Allerdings führt auch eine hysterische Berichterstattung kombiniert mit konfusen Politikerstatements dazu, Ängste zu schüren und den Eindruck zu erwecken, die Regierungen hätten die Bedrohung nicht im Griff. Und somit erreicht Bin Ladens Terrortruppe das, was sie wollte, ohne einen einzigen Schuss abgefeuert zu haben: Die Welt erzittert vor ihnen.

Und wie ist nun die aktuelle Bedrohungslage in Europa? Sollte man öffentliche Plätze und große Menschenansammlungen meiden? Anfang der Woche trafen sich Vertreter amerikanischer Sicherheitsbehörden und Geheimdienste im Süden Deutschlands. Nach ausführlicher Diskussion über Al Qaidas Ideologie, Strukturen, Fähigkeiten und die aktuelle Bedrohungslage wurde von den Veranstaltern der Konferenz angeboten, abends ein nahe gelegenes Oktoberfest zu besuchen. Die Karten dazu fanden reißenden Absatz.

Der Autor ist Politikberater für einen Think Tank in Brüssel, die European Foundation for Democracy.

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