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Das Kapitol in Washington.

© dpa

Das gelähmte Parlament: Blockaden der US-Politik auch 2013 zu erwarten

Fehlende ideologische Schnittmengen im Kongress machen das Regieren in den USA derzeit nahezu unmöglich. Die zunehmende Unzufriedenheit mit dem gelähmten Parlament könnte aber mittelfristig zur Chance werden.

In den USA wächst der Unmut über die Blockaden im amerikanischen Kongress. Während das Land mit einer konstant hohen Arbeitslosigkeit und wachsenden Staatsverschuldung kämpft, ist das amerikanische Parlament in ideologische Grabenkämpfe verwickelt. Im Ergebnis werden nur wenige Gesetze verabschiedet. Größere Reformprojekte haben derzeit so gut wie gar keine Chance, durch den Kongress zu kommen. So konnte in der Schuldenkrise im Sommer 2011 zwar die drohende Zahlungsunfähigkeit der USA in letzter Minute abgewendet werden. Das daraufhin eingesetzte überparteiliche Supercommittee konnte sich aber nicht auf einen Kompromiss einigen. Dabei besaß dieser Sonderausschuss das Privileg, losgelöst vom normalen politischen Prozess und im kleinen Kreise eine Lösung für das Schuldenproblem der USA zu finden. Da dies jedoch nicht gelang, drohen im Januar 2013 automatische Kürzungen des öffentlichen Haushalts, der sogenannte sequester.

Reformstau durch extreme Polarisierung im Kongress

Die politischen Blockaden in Washington sind Ergebnis der starken Polarisierung im US-Kongress. Diese ist keineswegs ein neues Phänomen, erreichte aber mit dem Einzug der äußerst konservativen Tea-Party-Vertreter nach den letzten Kongresswahlen im November 2010 einen neuen Höhepunkt. Heute steht selbst der progressivste Senator der Republikaner politisch rechts vom konservativsten Senator der Demokraten. Im Repräsentantenhaus weisen laut einer Untersuchung des Washingtoner Politikmagazins National Journal ganze sieben von 435 Abgeordneten ideologische Schnittmengen auf. Zum Vergleich: vor dreißig Jahren waren noch über die Hälfte aller Senatoren in der ideologischen Mitte angesiedelt, im Repräsentantenhaus sogar vier Fünftel der Abgeordneten. Zwar haben sich beide Parteien immer weiter voneinander fortbewegt, aber unter dem Einfluss der Tea Party ist die republikanische Partei besonders stark an den Rand gerückt.

Selbst wenn der nächste Kongress (2013-14), der parallel zu den Präsidentschaftswahlen im Herbst gewählt wird, moderater zusammengesetzt sein sollte, ist ein Aufbrechen der Blockaden nicht zu erwarten. Politische Arbeit im Parlament braucht Stabilität, und die wird auch weiterhin fehlen. Aus Unmut über die Blockaden in Washington entscheiden sich die Wähler immer häufiger für neue Kandidaten statt für die Amtsinhaber. Der daraus resultierende Druck, sich seinen Wählern ausgiebig beweisen zu müssen, führt zur permanent campaign, dem ständigen Wahlkampf. Die Abgeordneten verbringen immer mehr Zeit im Wahlkreis, die persönlichen Kontakte unter ihnen nehmen ab. Damit mangelt es an Gelegenheiten zur Kooperation, was angesichts der fehlenden ideologischen Schnittmengen umso schwerer ins Gewicht fällt.

Ein unified government ist keine Lösung

Allerdings könnte 2013 der Fall eintreten, dass eine Partei nicht nur den Wettkampf ums Weiße Haus, sondern auch Mehrheiten in beiden Kammern des Kongresses gewinnt. Dann könnten auch trotz der Polarisierung wieder Reformprojekte verabschieden werden. Für ein solches unified government müsste die Partei des Präsidenten über eine Mehrheit von sechzig Sitzen im Senat verfügen, mit der das Blockadeinstrument des Dauerredens (filibuster) abgewehrt werden kann. Mit dieser Supermehrheit kann verhindert werden, dass Senatorinnen und Senatoren der Oppositionspartei eine Abstimmung dadurch blockieren, dass sie stundenlang vor der Kammer reden – oder dies zumindest androhen. Eine solch komfortable Mehrheit ermöglichte es beispielsweise der Obama-Administration Anfang 2010, ihre Gesundheitsreform durch den Kongress zu bekommen. Allerdings müssten bei den Kongresswahlen im November die Demokraten dafür sieben Sitze, die Republikaner ganze dreizehn dazugewinnen. Ein solcher Zuwachs ist für beide Parteien eher unwahrscheinlich. 

Den Kreislauf der Polarisierung würde ein solches unified government ohnehin nicht durchbrechen. Im Gegenteil – jeglicher Anreiz für eine parteiübergreifende Kooperation wäre dahin, Polarisierung und Blockadeversuche würden weiter zunehmen. So wäre eine weitreichende Reform des politischen Prozesses wenig realistisch, weil deren erfolgreiche Umsetzung davon abhängt, dass sie Akzeptanz bei beiden Parteien findet.

Unzufriedenheit über das gelähmte Parlament als Chance

Die Blockaden in Washington werden wahrscheinlich erst dann durchbrochen werden, wenn die Konsequenzen nicht mehr tragbar sind. So könnte beispielsweise das Einsetzen des sequester, der automatischen Haushaltskürzungen, dem Kongress die Folgen seines Nichthandelns deutlich vor Augen führen. Die geplanten Einschnitte beim Militär, bei der staatlich geförderten Krankenversicherung für ältere Menschen und in vielen anderen Bereichen könnten zu großen Protesten bei den Betroffenen führen. Dies könnte die Abgeordneten unter Druck setzen, stärker zu kooperieren.

Bereits jetzt wächst in Washington das Bewusstsein für die Probleme im Kongress. Insbesondere die Parteispitzen geraten unter Handlungsdruck, denn sie müssen mit der zunehmenden Fluktuation von Abgeordneten umgehen. Mit ständig wechselndem Personal und den damit verbundenen Stimmungsschwankungen ist es schwer, langfristige politische Strategien zu entwerfen. Wachsende Unzufriedenheit über das gelähmte Parlament also könnte letztlich doch zu institutionellen Reformen und verstärktem Austausch mit der jeweils anderen Partei führen.

Solange jedoch der ideologische Triumph mehr zählt als der Wille zum Regieren, wird der Handlungsspielraum des US-Präsidenten auch 2013 erheblich eingeschränkt bleiben – egal ob dieser nun Obama oder Romney heißt.

Henriette Rytz forscht an der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) u.a. zu innenpolitischen Entwicklungen in den USA. Die Stiftung berät Bundestag und Bundesregierung in allen Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik. Der Artikel erscheint auf der SWP-Homepage in der Rubrik Kurz gesagt. Zu innenpolitischen und binnenwirtschaftlichen Herausforderungen für die Führungsrolle der USA in der Welt ist jüngst die SWP-Studie "State of the Union" erschienen.

Henriette Rytz

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