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Politisch gescheitert: Norbert Röttgen.

© dpa

Der Körperleser: Menschen in ihren politischen Anzügen

Die Körpersprache des Norbert Röttgen spricht eine besondere, für ihn typische Melodie. Eine Melodie, die der Mensch Röttgen spielt. Und nicht der Politiker, nicht der Wahlkämpfer, nicht der Profi-Verlierer. Kolumnist Ulrich Sollmann über das Ende eines Hoffnungsträgers.

Deutlich gereizt, leicht und doch sichtbar bebend, mit gesenktem stechenden Blick, möchte er sein Gegenüber am liebsten durchbohren. Er, der an diesem Abend auch wie ein angeschossenes Tier wirkt, wird durch den Moderator Plasberg bis zur Weißglut gebracht. Er solle doch endlich, setzt Plasberg, so wie man ihn kennt und liebt, penetrant und offensiv nach, aufhören, sich hinter den Themen der Partei zu verstecken. Was denn sein, nämlich Röttgens, Anteil bei der verlorenen Wahr gewesen sei.

Plasberg will es unbedingt wissen. Nicht nur er will es wissen. NRW will es an diesem Abend wissen. Und die Menschen in Deutschland wollen es wissen, nämlich wissen, wer und wie diese Politiker sind. Diese Menschen in ihren politischen Anzügen.

Er, der damalige Noch-Minister Röttgen, wollte jedoch am Abend der katastrophalen Wahlniederlage in NRW, ca. 30 Minuten nach Schließung der Wahllokale, sich persönlich am liebsten verstecken (was man ihm gewiss menschlich nachsehen könnte) und nicht Farbe bekennen. Die Themen der CDU hätten eben die WählerInnen nicht überzeugen können. Und man müsse das jetzt erst einmal im Kreis der CDU besprechen. Er versucht sich so, wenn auch unbeholfen, ohne die sonst übliche Souveränität des Kanzler-Aspiranten, aus der eigenen Verantwortung zu stehlen.

Seine Körpersprache spricht eine besondere, für ihn typische Melodie. Eine Melodie, die man hören kann, ohne sich im politischen Geschäft auszukennen. Eine Melodie, die der Mensch Röttgen spielt. Und nicht der Politiker, nicht der Wahlkämpfer, nicht der Profi-Verlierer. Ja, wenn er es unbedingt wissen wolle, trotzte Röttgen beleidigt zurück, um dann mit „ja, ich habe.....Ja ich bin.......“ sich mit letzter Verzweiflung von der öffentlichen Bühne zu stehlen. Natürlich im Ton der unverhohlenen Entrüstung.

Die Wähler sind im Wahlkampf, vor allem gegen Ende desselben, an den Menschen, nicht an den Themen interessiert. Daher auch das große Interesse an einem TV-Duell auf der Schlussgeraden des Wahlkampfs. Schnitt. Knapp 2 Wochen vor diesem Wahlabend trennten sich Kraft und Röttgen nach dem TV-Duell. Ein Duell ohne Sieger hieß es medial fast unisono. Genauso wie zumeist sonst nach einem TV-Duell. Alle fiebern hin auf den Moment der Eröffnung des Kampfes (ein Duell ist doch ein Kampf, oder?), verfolgen aufgeregt den Schlagabtausch, um sich anschließend von den Medien sagen lassen zu müssen, dass es wieder mal keinen eindeutigen Sieger gegeben hätte. Jemand aus einem TV-Studio steckte mir bei einem Dreh, dass man das wohl so machen müsse. „Sie wissen doch....“ hieß es unverblümt geheimnisvoll.

Schnitt. Die Menschen draußen feiern aber ihre Sieger, die Sieger der Herzen oder bedauern, verteidigen die Verlierer der Herzen.

Schnitt. Drei Tage nach der Wahlschlappe von CDU und Röttgen lässt die Kanzlerin Angela Merkel endlich die Katze aus dem Sack. Sie feuert Röttgen. Ohne großen Kommentar. Auch für eine Physikerin, wie sie oft beinah ehrfurchtsvoll tituliert wird, waren die 90 Sekunden Presseansprache auffällig kurz und nüchtern. Oder hat doch der Mensch Merkel gesprochen?

Gastautor Ulrich Sollmann.
Gastautor Ulrich Sollmann.

© Marc Steffen Unger

Im Wahlkampf seien es die Parteiprogramme, die Sachinhalte, wie es professionell nüchtern heißt, die überzeugen sollten. Beim TV-Duell drückt man sich um eine eindeutige Parteinahme, weil es verdächtig aussehen könnte, würde man doch die eine oder andere Person zu sehr als Sieger loben oder als Verlierer schwarzmalen. Am Wahlabend schließlich werden rückblickend die Wahlkampfthemen raisonniert und, von den Siegern und Verlierern abgekoppelt, im Hinblick auf mögliche Koalitionen sowie die eventuelle Bedeutung für die „Bundesebene“ kritisch überprüft.

Als könnten Themen die Menschen überzeugen! Als wären in solchen Momenten die Sachinhalte, die politischen Argumente von Belang. Als würden politische Bündnisse, in denen sich Parteien zu einem Machtzirkel zusammenraufen, in einem solchen Moment für die Menschen von Interesse sein.

Nein, nur Menschen können überzeugen. Nur die Sieger oder Verlierer der jeweiligen Wahl, des jeweiligen TV-Duells können überzeugen. Die Menschen in ihren politischen Wahlkampf-Anzügen. Nur sie können die Menschen in ihrem tiefsten Innern gerade auch emotional bewegen und zufrieden stellen. Oder ärgern.

Schnitt. Merkel feuert Röttgen. Nur wenige hatten dies der Kanzlerin zugetraut. Wirkt sie doch oft eher ohne eine eigene klare entschiedene Überzeugung. Ohne eine durchgreifende, vor allem sichtbare Führungsstärke. Jetzt, wo sie es macht, wirft man ihr, gerade auch aus CDU-Kreisen, mangelnde Menschlichkeit vor. Jetzt, wo sie Klarheit und Durchsetzungsstärke zeigt, mutiert Merkel medial zur Minister meuchelnden Merkel (WAZ).

Was für ein Verständnis vom Menschen hat eigentlich die Politik? Wann ist der Politiker ein Mensch, könnte man in leichter Abwandlung eines Grönemeyer-Songs auch fragen. Und darf der Politiker überhaupt ein Mensch sein?

Der Noch-Boss des RWE Jürgen Grossmann nennt Merkel eine Macht-Mechanikerin. Machiavelli hätte gewiss seine Freude an Merkel. So könnte man meinen. Machiavelli würde Merkels Listigkeit, ihre Rücksichtslosigkeit und Morallosigkeit lieben. So könnte man meinen. Was meinen Sie? Oder halten Sie es lieber so wie der frühere Daimler- Chef Joachim Zahn es auf den Punkt brachte? Wie der mächtige Damals-Boss, der, wenn er zwischen Ratio und Herz wählen müsste, Herz mit Charakter wählen würde?

Kontakt zum Autor: info@sollmann-online.de

 

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