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Mario Barth im ausverkauften Olympiastadion.

© dpa

Der Reiz von Großveranstaltungen: Mittendrin statt nur dabei

Mario Barth lockt 100.00 Menschen ins Olympiastadion, die Rolling Stones begeistern die Waldbühne und die WM hält Einzug in deutsche Wohnzimmer und an Häuserfassaden. Nur Cindy aus Marzahn muss vor 300 Zuschauern auftreten, aber New York ist ja auch nicht Berlin.

Es ist ja nun nicht so, dass wir auf eine Woche zurückblicken, in der gar nichts passiert wäre in Berlin und in der Welt. Ein gewisser Mario Barth lockte am vergangenen Wochenende mehr als 100.000 Menschen ins Olympiastadion, um ihnen Witze zu erzählen, die sie schon kannten und zum Teil mitgrölten – ähnlich wie die Besucher des Rolling-Stones-Konzertes das mitgrölten, was ihnen Mick Jagger vorsang. Denn die Menschen wollen mitmachen, nicht nur dabei sein, sie wollen Teil eines großen Ganzen seins, nicht bloß Zuschauer am Rand.

In der Tagesschau zeigten sie am Mittwochabend einen Bericht über den so genannten „WM Nippes“ (Zitat Thomas Roth). Nie zuvor habe es so viel Zeugs gegeben, dass sich die Deutschen zur WM kaufen konnten: Fahnen, Nudeln, künstliche Wimpern in schwarz-rot-gold. Eine Familie wurde in dem Beitrag vorgestellt, die ihr Häuschen komplett mit Deutschland-Fahnen verhängt hat – der Fernsehphilosoph Jan Böhmermann twitterte, dass er immer ein mulmiges Gefühl habe, wenn er Nachts durch Straßen gehe, wo an den Häusern Deutschlandfahnen hängen.

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Von Peer Steinbrück und Christian Wulff

Es gibt Menschen, die meinen, dass Christian Wulff genau jetzt der richtige Präsident für Deutschland sei. Christian Wulff zum Beispiel. Jedenfalls sagte er das bei seiner Buchvorstellung am Dienstag in Berlin. Sein Buch heißt „Ganz oben, ganz unten“. Ich habe es nicht gelesen, deshalb ist weder das Buch noch Christian Wulff ein Thema in dieser Kolumne – wer allerdings dazu einen unglaublichen, weil klugen, weilt wütenden Text lesen will, der kann das in der aktuellen ZEIT tun: Dort schreibt Peer Steinbrück so fulminant über das Wulff-Buch, über das Vorher und das Nachher, wie man es noch selten lesen konnte. Es geht um den Umgang vieler Medien mit Christian Wulff und wenn man den Text zu Ende gelesen hat, dann ist man heilfroh, dass man bei den erwähnten Medien nicht arbeitet.

Ich wollte Mittwochabend die Talkshow von Anne Will sehen, in der es um das Buch von Christian Wulff ging – Peer Steinbrück war leider nicht zu Gast, dafür ein Medienwissenschaftler. Ich schaue mir keine Talkshows an, in denen Medienwissenschaftler zu Gast sind, also schaltete ich aus. Am Abend zuvor ging es in der Talkshow von Sandra Maischberger um die Fußballweltmeisterschaft – ein Kenner des Fußballs war leider nicht zu Gast, dafür der „Komiker“ Oliver Pocher. Ich schaue mir keine Talkshows an, in denen Oliver Pocher zu Gast ist, also schaltete ich aus. Donnerstagmorgen stand in der „Süddeutschen Zeitung“ auf der „Panorama“-Seite ein Bericht über den Auftritt von Cindy aus Marzahn am New Yorker Broadway. Cindy aus Marzahn und Oliver Pocher werden vom selben Manager vertreten, ein anderer Klient ist übrigens Boris Becker.

Wissen Sie, was "spornosexuell" bedeutet?

Während Barth also über 100.000 Menschen zum Lachen gebracht hat, kamen zum Auftritt von Cindy aus Marzahn 300 Menschen, aber New York ist ja auch nicht Berlin. Die „Panorama“-Seite widmete sich aber auch noch einem anderen Phänomen, von dem man gar nicht wusste, dass es das gibt: Oder wissen Sie, was „spornosexuell“ bedeutet? Der britische Journalist Mark Simpson hat dieses Wort erfunden (und er hat vor einigen Jahren bereits das Wort „metrosexuell“ erfunden), es meint eine „neue Stufe der ästhetischen Perfektionierung männlicher Körper in Zeiten von Social Media“. Steht so jedenfalls in der „Süddeutschen“. Und ich habe lange darüber nachgedacht, was das bedeutet, aber ich bin nicht drauf gekommen. Ich glaube, Mario Barth ist damit nicht gemeint.

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