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Jahresrückblick 2013 und TV-Kritik - da darf einer nicht fehlen: Markus Lanz (l.).

© dpa

Fernsehkritik 2013: Nicht jeder Zuschauer ist Fernsehkritiker

Mal ganz langsam mit den Tweets und der Kritik am Fernsehprogramm. Nicht jeder, der auf einen TV-Bildschirm glotzt, ist auch ein Fernsehkritiker, stellt Matthias Kalle fest. Besonders einem empfiehlt er mehr Zurückhaltung.

So, dann wäre so langsam also auch das erledigt, dieses grauenhafte 2013, obwohl das Ende des Jahres im Prinzip vollkommen egal ist, denn es geht ja ohnehin weiter, genau so schlimm, es heißt dann halt nur 2014. Werden sich die Dinge ändern? Ach was – und vielleicht sollten wir, wie es Camus geschrieben hat, aufhören zu hoffen, damit die Hölle des Gegenwärtigen unser Reich wird.

Andererseits neigt der Mensch ja auch zur Rückschau, es hat vor Listen nur so gewimmelt in den vergangenen Woche, vielleicht weil Listen einem dabei helfen das Jahr, das war, zu fassen, zu begreifen, es einzuordnen. Das fatale an solchen Listen besteht natürlich darin, dass sie einen versöhnen können mit der Vergangenheit; weil man sich an das Gute, das Wahre, das Schöne erinnert. Auf meiner Liste zum Beispiel stehen die Bücher „Stoner“ und „Die Kindheit Jesu“, die neuen Alben von Prefab Sprout, Arcade Fire und My Bloody Valentine, die letzte Staffel von „Breaking Bad“ – an Heilig Abend war ich zufrieden.

Aber dann schien es fast so zu sein, als ob sich das Jahr gesagt hätte: So, in der letzten Woche gehe ich allen Menschen noch mal so richtig auf die Nerven. Dann zog sich die größte Femen-Aktivistin aller Zeiten im Kölner Dom aus, und als ob das nicht gereicht hätte, sagte Norbert Lammert, er sehe im Fernsehen „eine grausame Dominanz der Unterhaltung gegenüber der Information“. Da würde ich aber mal gerne wissen, wo er diese Dominanz genau festmacht, denn mit Unterhaltung hat das Fernsehen ja ganz selten was zu tun. Lammert aber meinte speziell die „heute show“, die sei nämlich „der fast ultimative Beleg (...) nicht nur kritisch mit Parteien, Regierungen und Politikern umzugehen, sondern auch Menschen persönlich niederzumachen“.

Das war leider nicht das erste Mal, dass Nobert Lammert sich als Fernsehkritiker hervortat: Bereits vor einigen Jahren nörgelte er über Talkshows, danach ging er dann zu der Talkshow von Markus Lanz, allerdings war er auf sein Betreiben hin der einzige Gast. Das ist in etwa so, als würde jemand dauernd über Politiker schimpfen und dann aber das Angebot annehmen Bundestagspräsident zu werden. Allerdings ohne Bundestag, man will ja nicht genervt werden.

Es müsste allerdings einleuchten, dass das keine gute Idee wäre – warum aber leuchtet es manchen Menschen nicht ein, sich mit einer generellen Fernsehkritik zurückzuhalten? Ich musste in diesem Jahr leider des Öfteren feststellen, dass Menschen, die sehr viel Ahnung von Politik haben, überhaupt gar keine Ahnung vom Fernsehen haben – was sie allerdings nicht davon abhielt zum Beispiel ganz großen Unfug über den „Tatort“ auf Facebook oder Twitter zu schreiben oder den Untergang des Abendlandes herbei fantasierten, als Stefan Raab als einer von vier Interviewern für das so genannte Kanzlerduell nominiert wurde.

Unser Kolumnist Matthias Kalle.
Unser Kolumnist Matthias Kalle.

© Privat

Die Fernsehkritik ist eine anspruchsvolle Angelegenheit – nur weil man bei Twitter ist, ist man noch kein Fernsehkritiker, nur weil man eine Fernbedienung besitzt, hat man nicht das Recht über Dinge zu urteilen, von denen man möglicherweise keine Ahnung hat. Es gibt Menschen, die sich darum kümmern. So wie es Menschen gibt, die die Fußballnationalmannschaft trainieren und Menschen, die dieses Land regieren. Diese Aufteilung klappt auch eigentlich ganz gut.

Ich werde auch in 2014 niemals über die wirtschaftlichen Entwicklungen in der Euro-Zone schreiben.

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