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Diese palästinensischen Schülerinnen protestieren in Ramallah gegen US-Präsident Barack Obama, der ein amerikanisches Veto im Sicherheitsrat angekündigt hat.

© Reuters

Gastkommentar: Abbas gefährdet die eigenen Ziele

Mahmud Abbas' Gang zur Uno bringt die Palästinenser keinen Schritt näher an einen eigenen Staat. Stattdessen belastet er den fragilen Friedensprozess. US-Präsident Obama ist daran nicht ganz unschuldig.

Es wird kein leichter Gang für Mahmud Abbas. Der Palästinenserpräsident wirbt am Freitag in New York um die Anerkennung des palästinensischen Staates in den Grenzen von 1967 und die Vollmitgliedschaft in der UN. Doch wenn Mahmud Abbas vor die Generalversammlung der Vereinten Nationen tritt, dann tut er dies in der Gewissheit zu scheitern. Sein Anliegen ist nur noch von symbolischem Wert. Eine Symbolik, von der allerdings das falsche Signal ausgeht. Die Anerkennung von Staatlichkeit sollte zwar das Ziel für Palästina sein, jedoch am Ende eines Friedensprozesses stehen. Ein Alleingang ohne Verhandlungspartner Israel dient nur dazu, der eigenen Bevölkerung zu signalisieren, dass man den Großen in der Weltpolitik die Stirn bietet.

Der Wunsch der Palästinenser nach Souveränität muss ernst genommen werden. Dass es einer Zweistaaten-Lösung bedarf, steht außer Frage. Auch der Versuch diese gewaltlos und auf diplomatischem Weg zu erreichen, ist grundsätzlich zu begrüßen. Doch der Versuch von Abbas, diesen Gang ohne Absprache mit Israel zu gehen, ist eher Rückschritt denn ein möglicher Fortschritt in den Bemühungen Israelis und Palästinenser zu versöhnen.

Selbst, wenn es eine Mehrheit für das umstrittene palästinensische Anliegen in der Generalversammlung geben wird – im Sicherheitsrat, wo die Entscheidung letztlich fällt, wird das palästinensische Anliegen keinen Erfolg haben. Die USA haben bereits ihr Veto angekündigt.

Alle Beteiligten wissen das. Sie wissen auch, dass ein lebensfähiger, souveräner Staat Palästina nicht per Abstimmung in der UN, sondern nur durch direkte Verhandlungen mit Israel zu erlangen ist. Der Versuch des Palästinenserpräsidenten Abbas über den Umweg UN Druck auf Israel auszuüben, um die eigene Verhandlungsposition zu stärken, erinnerte von Anfang an den trotzigen Versuch, mit dem berühmten Kopf durch die berühmte Wand zu wollen. Druck hat jetzt vor allem Abbas selbst.Er hat seine Position und die der Palästinenser geschwächt, hat gezeigt, dass er unberechenbar ist, hat sich und seine Bevölkerung in eine Situation manövriert, in der es nach eigenem Bekunden „kein Zurück mehr gibt“.

Bis Abbas vor das Rednerpult tritt, werden noch einmal alle diplomatischen Hebel in Bewegung gesetzt. Barack Obama selbst versuchte gemeinsam mit dem französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy Mahmud Abbas bis zuletzt umzustimmen. Statt einen Antrag auf Vollmitgliedschaft zu stellen, solle Abbas besser eine Aufwertung Palästinas zum „Beobachterstaat“ beantragen.

Dabei ist Obama nicht ganz unschuldig an der Entwicklung. Abbas Gang vor die UN ist auch Obamas ganz eigener Nahoststrategie geschuldet. Im vergangen Jahr stellte der US-Präsident selbst den Palästinensern die Aufnahme in die UNO in Aussicht. Damals hatten Israel und die Palästinenser erstmals seit 2008 wieder direkte Verhandlungen aufgenommen. Die Gespräche wurden relativ schnell wieder eingefroren – die palästinensische Hoffnung blieb. Insofern setzte Obama bei den Palästinensern eine Dynamik in Gang, in deren Verlauf sich alles auf Palästinas  Aufnahme in die UN konzentrierte. Die Forderung nach direkten Verhandlungen zwischen Israel und den Palästinensern rückte gleichermaßen in den Hintergrund.

Abbas Gang vor die UN erschwert die Wiederaufnahme von Friedensgesprächen zwischen Israelis und Palästinensern zusätzlich. Spätestens nach dem Scheitern der Bemühungen, könnte sich die Stimmung in der palästinensischen Bevölkerung radikalisieren. Hamas und andere Extremisten würden sich in ihrer Ablehnung gegenüber Israel bestätigt fühlen. Die arabischen Proteste wurden bislang nur am Rande von antiisraelischen Ressentiments flankiert – auch das könnte sich ändern.

Warum Abbas Gang vor die Uno auf rechtlich problematisch ist: Lesen Sie weiter auf Seite zwei.

Würde Palästina außerhalb von Friedensgesprächen als 194. Staat der UN anerkannt, gäbe es für die Palästinenser einen gewichtigen Grund weniger, in direkte Gespräche mit Israel zu treten. Die Palästinenser müssen zurück an den Verhandlungstisch mit den Israelis. Es wäre das völlig falsche Signal, die Verweigerungshaltung der Palästinenser mit der staatlichen Anerkennung zu belohnen.

Mit Blick auf die bestehenden Verträge zwischen Israelis und Palästinensern, ist Abbas Austritt auch rechtlich problematisch. Sein Gang vor die Uno verstößt gegen bestehende UN-Resolutionen und Übereinkommen. Die UN-Resolutionen 242, von 1967, und 338, von 1973, sowie die Verträge von Oslo als auch die „Roadmap“ verpflichten zu einer einvernehmlichen Lösung des Konflikts durch Verhandlungen. Einseitige Initiativen, die nicht mit der Gegenseite abgesprochen sind, sind nicht vorgesehen.

Bei allem Verständnis für den palästinensischen Wunsch auf Eigenstaatlichkeit – wichtige Grundvoraussetzungen für einen palästinensischen Staat sind bei weitem nicht erfüllt. Was den Schutz von Minderheitenrechten sowie die Sicherheit und Kontrolle des eigenen Staatsgebiets betrifft, fehlen den Palästinenser bislang überzeugende Konzepte. 

Das palästinensische Kind ist in den Brunnen gefallen. Alle Beteiligten sind jetzt aufgerufen, die verfahrene Situation zu entschärfen.  Abbas Alleingang  ist ein Rückschlag für das Bemühen um palästinensische Eigenstaatlichkeit gleichermaßen wie es die Chance auf echten Frieden zwischen Israelis und Palästinensern ein weiteres Mal unterläuft.

Timo Stein ist Redakteur bei CICERO ONLINE und Autor des Buches „Zwischen Antisemitismus und Israelkritik. Antizionismus in der deutschen Linken“

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