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Gastkommentar: Bahai gelten im Iran als Staatsfeinde

Der Iran will sein Ansehen in Sachen Menschenrechte offenbar verbessern. Doch die Anhänger der Bahai-Religion können nur auf internationalen Druck hoffen.

Dem Iran ist offenbar wieder an einer Aufbesserung seines Ansehens in Sachen Menschenrechte gelegen. Im April erlitt er bei dem Versuch, für den Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen zu kandidieren, nach einer Welle internationalen Protests Schiffbruch. Der Besuch des Unterausschusses für Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik des Deutschen Bundestages in der vorletzten Woche kam ihm dabei sehr gelegen. Mitglieder der Delegation haben laut iranischem Staatsradio IRIB und in deutschen Medien die „friedliche Koexistenz“ unter den Anhängern verschiedener Religionen in der Islamischen Republik als „beispiellos“ bezeichnet. Manches sei eben anders, als es bei uns im Westen ankomme.

Beispiellos ist im Iran mit Sicherheit das Schicksal der größten nicht-islamischen religiösen Minderheit des Landes, der Anhänger der Bahai-Religion mit über 300 000 Gläubigen. Ein Einzelfall aus einer Vielzahl von Fällen: Rozita Vaseghi aus Mashhad, die, mehrfach verhört und bedroht, im April 2010, trotz eines schwebenden gerichtlichen Einspruchs unter härtesten Bedingungen in Einzelhaft genommen wurde. Solange sie nicht „kooperieren“ will, wird sie in Isolationshaft bleiben, so die offizielle Auskunft. Aufgrund der besorgniserregenden Haftbedingungen verschlechtert sich ihre Gesundheit von Tag zu Tag.

Rozita Vaseghi und das Schicksal aller übrigen derzeit 43 inhaftierten Bahai geht darauf zurück, dass sie einer nach dem Islam gestifteten Religion angehören. Was nicht sein darf, kann nicht sein. Daher kein Schutz durch die iranische Verfassung, seit 1983 das Verbot jeglicher Organisation als friedliche religiöse Gemeinschaft. Ihre informelle Führungsriege – zwei Frauen und fünf Männer – wurde in diesem August zu jeweils zehn Jahren Gefängnis verurteilt. Die absurden und von den Anwälten des Büros Shirin Ebadis widerlegten Vorwürfe sind regimefeindliche Tätigkeiten und Spionage.

Seit der Geburtsstunde ihrer Religion in der Mitte des 19. Jahrhunderts im Iran wurden Bahai ihres Glaubens wegen verfolgt. Ihr Religionsstifter Bahaullah (1817-1892) verkündete den Anbruch eines globalen Friedenszeitalters, in dem die Mauern zwischen den Religionen und Nationen, aber auch Gewalt und Kriege der Vergangenheit angehören sollen. Die weltweit sechs Millionen Bahai glauben an den einen Gott, der sich den Menschen in größeren Zeitabständen immer wieder aufs Neue offenbart. Sie glauben an die Gleichberechtigung von Mann und Frau, eine Selbstverwaltung nach demokratischen Prinzipien und ohne Klerus.

Tausende Bahai bezahlten dafür in der Frühzeit ihres Glaubens mit ihrem Leben, Hunderte nach der Islamischen Revolution von 1979. Die Ära Ahmadinedschad brachte über 300 Verhaftungen und eine Welle staatlich gelenkter, systematischer Unterdrückung in Form von willkürlichen Inhaftierungen, Beschlagnahmungen, Hasskampagnen, Einschüchterungen oder Berufsverboten. Studierende werden regelmäßig von den Hochschulen entfernt, sobald ihre Identität als Bahai bekannt wird. Die Friedhöfe der Bahai werden durch Milizen zerstört.

Eine begrenzte Religionsfreiheit wird im Islam allen Religionen zugestanden, die älter als der Koran sind, also Judentum und Christentum. Neuerungen späteren Datums, gar aufklärungsverdächtig, stehen jedoch unter dem Generalverdacht der Häresie. So erfahren auch reformierte Christen Diskriminierung. Die Bahai darf es als solche gar nicht geben - nur als Feinde der Islamischen Republik.

Die Bundesregierung hat, zuletzt durch ihren Menschenrechtsbeauftragten Markus Löning im August 2010, die Unterdrückung der Bahai im Iran deutlich kritisiert. Indessen ist der Iran weltweit diplomatisch aktiv, um eine zum Jahresende drohende UN-Resolution abzuwenden, die ihn als Menschenrechtsverletzer anprangern soll. Rozita Vaseghi wird weiter auf internationalen Druck hoffen müssen.

Der Autor ist Beauftragter und Sprecher der Bahai-Gemeinde Deutschland für Menschenrechte.

Ingo Hofmann

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