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Gastkommentar: Das Gymnasium gehört zur CDU

Die Partei stellt ihre Markenkerne zur Disposition. Die Hamburger CDU hat es geschafft die eigenen Wähler zu mobilisieren - allerdings gegen sich. Es ist eben nicht so, dass Inhalte keine Rolle mehr spielen.

Asymmetrische Wählerdemobilisierung heißt das von Meinungsforschern erfundene neueste Zauberwort aus dem Kanzleramt. In schlichtem Deutsch: Wahlen gewinnt man am besten dadurch, dass die Wähler der anderen zu Hause bleiben, weil das eigene Profil sie nicht herausfordert. Dass die eigenen Wähler es dann auch kaum noch der Mühe für wert halten, eine Wahlkabine aufzusuchen, nimmt man in Kauf. Schließlich ist Mehrheit Mehrheit, ob sie nun bei 40, 30 oder 20 Prozent liegt.

Die Hamburger CDU ist noch einen Schritt weiter gegangen. Sie hat es vermocht, mit dem Markenkern der Konkurrenten – dem längeren gemeinsamen Lernen – die eigenen Wähler auf die Barrikaden zu treiben – allerdings gegen sich. Es ist eben nicht so, dass Inhalte keine Rolle mehr spielen, wenn nur die Verpackung stimmt. Mit dem Gymnasium hat die CDU in Hamburg ihren eigenen Markenkern zur Disposition gestellt, was nicht einmal der smarte Ole van Beust den CDU-Wählern schmackhaft machen konnte. Vorgestern die Kernenergie, gestern die Wehrpflicht und heute das Gymnasium, es ist nicht die Frau an der Spitze, es ist die gewollte Profillosigkeit der Union, die sie ins Trudeln bringt.

Seit den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts erstreben Sozialdemokraten und Grüne auf dem Umweg über die Schule mehr gesellschaftliche Gleichheit. Ob hessische Gesamtschule oder Hamburger Primarschule, das längere gemeinsame Lernen – auch mit Migrantenkindern – soll nicht die kognitiven Fähigkeiten, sondern die sozialen Kompetenzen erweitern. Das Ergebnis war und ist immer eine Flucht aus solcherart umfunktionierten und ideologisch aufgeladenen Bildungsanstalten. Die rasante Zunahme von Privatschulen in Deutschland und die wachsende Beliebtheit englischer und irischer Internate unter den Wohlhabenden sind die Fieberkurve einer verfehlten Gesellschaftspolitik. Die Hamburger Abstimmung, bei der die Eltern gegen die gesamte politische Klasse antraten, hat einmal mehr gezeigt: In freien Gesellschaften ist Schule ohne die Eltern nicht zu gestalten. Man muss deshalb nicht gleich – wie manch schlechter Verlierer – von Klassenkampf sprechen, wenn Eltern es vorziehen, ihre Kinder in die Schulen zu schicken, die sie mehr fordern und ihnen größere Chancen bieten. Eben unterschiedliche Schulformen für unterschiedliche Begabungen.

Dass nicht einmal das Unwort von der frühen Selektion und die damit einhergehende moralische Delegitimierung bildungsbürgerlicher Wünsche mittels historischer Erinnerungen die Eltern davon abhalten konnte, sich der Politik in den Weg zu stellen, zeigt die Stärke ihres Wollens. Die Union wäre gut beraten, diesen Wünschen wieder eine Heimstatt zu geben und das eigene allzu glatt geschliffene Profil ein wenig aufzurauen. Aber will das die Kanzlerin wirklich?

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