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Die EU muss Griechenland unterstützen - und Portugal vielleicht bald auch.

© dapd

Gastkommentar: Der letzte Schritt fehlt noch

Spätestens 2012 wird Griechenland um eine Neuverhandlung des Schuldendienstes bitten, erwartet Ognian Hishow von der Stiftung Wissenschaft und Politik. Und nicht nur Athen, sondern auch Portugal braucht entsprechende Unterstützung.

Zur Rettung des Euroraumes ist das jetzt beschlossene zweite Griechenland-Paket der richtige Schritt: Die öffentlichen Gläubiger nehmen den privaten Gläubigern ihre Forderungen ab. Mit den Beschlüssen des EU-Gipfels vom 21. Juni halten EU und Internationaler Währungsfonds nun zwei Drittel der insgesamt 330 Milliarden Euro, die Athen seinen Gläubigern schuldet. Weitere rund 47 Milliarden Euro hält die Europäische Zentralbank EZB. Von den verbleibenden 55 bis 60 Milliarden werden die privaten Gläubiger, insbesondere Banken und Versicherungen, nach dem Willen des Gipfels 34 Milliarden übernehmen und die Abschreibungen tragen. Was übrig bleibt, könnte die EZB als neue Refinanzierungskredite für den griechischen Bankensektor stellen.

Diese Umwandlung der Gläubigerstruktur weg von den privaten, hin zu den öffentlichen Kreditgebern ist gut für den Euro, die europäische Solidarität und für die Erholung der überschuldeten griechischen Wirtschaft. Bevor die Folgen der Umwandlung aber greifen werden, steht in dem griechischen Drama noch ein letzter Akt bevor: Eine Neuordnung des Schuldendienstes. Dieser – ob Streckung, Stundung oder gar ein längeres Moratorium der griechischen Zahlungen an die Gläubiger – wird sich nicht vermeiden lassen, denn auch das neue Hilfspaket ändert nichts am Grundproblem der Überschuldung des Landes.

Derzeit sind selbst die Zinszahlungen zu viel für Griechenland

Schon jetzt ist deutlich, dass Athen in absehbarer Zeit nicht einmal die entsprechenden Zinsen wird bedienen können: Selbst aus den neuen geringeren Zinssätzen errechnet sich ein jährlicher Zinsdienst, der um ein Vielfaches über dem nominalen BIP-Wachstum für die Jahre 2011 und 2012 liegt, das die EU-Kommission mit minus 1,7 Prozent veranschlagt. Der griechische Haushalt müsste also mit kräftigen Überschüssen abschließen, damit Athen seine Zinsen bedienen kann, von einer Tilgung der Schulden ganz zu schweigen. Dagegen erwartet Eurostat für 2011 und 2012 Haushaltsdefizite in Griechenland von über neun Prozent. Dass jetzt die Laufzeiten gestreckt wurden, bringt dem griechischen Schuldner kurzfristig ohnehin keine Vorteile, weil die Tilgung zeitverzögert beginnt.

Griechenland dürfte daher spätestens Anfang 2012 um eine Neuverhandlung des  Schuldendienstes bis hin zu einem Schuldendienstmoratorium bitten. Und das Land sollte diese Unterstützung bekommen. Denn so kann es sich seinem wirtschaftlichen Reformprogramm widmen, ohne dass die Anpassung – wie derzeit – einen BIP-Rückgang auslöst. Auch wenn der Rückzug der Banken und Versicherungen als private Gläubiger nicht überall gut ankommen wird, ist das in dieser Situation ein Vorteil. Denn würde Athen seine privaten Gläubiger – europaweit dutzende, vielleicht hunderte Kreditinstitute - mit einem Schuldendienstmoratorium konfrontieren, wäre eine negative wirtschaftliche Kettenreaktion die Folge. Die Banken würden ihre Verluste auszugleichen versuchen, indem sie weniger Geld beleihen oder die Zinsen erhöhen. Dies würde sich sowohl entsprechend stark auf die Investitionskredite für Unternehmen also auch auf die Zinslast für normale Privatkunden auswirken, und somit auf Konsum und BIP-Wachstum.

In der jetzigen Konstellation trifft dagegen ein potentieller Athener Zahlungsausfall die Haushalte von 16 Nationen sowie zwei starke Einrichtungen – den IMF und die EZB – als Garanten der Kreditpakete. Sie würden zwar wegen der Kombination aus einer Teilabschreibung, die wohl kommen wird, und entgangenen Zinseinnahmen durch einen Schuldenschnitt belastet. Doch selbst für den Fall, dass Griechenland bis zu 100 Milliarden Euro nicht zurückzahlen würde, würde die Schuldenquote der Eurozone „nur“ um etwa 1,7 Prozent des Eurozonen-BIP zunehmen, was verkraftbar ist.

Auch Portugal braucht Hilfe

Allerdings wird eine Schuldendienstneuordnung für Griechenland wie ein diesbezügliches Moratorium und eine Teilentschuldung die akute Krise in der EU-Peripherie und die von ihr ausgehenden Gefahren für die Währungsstabilität noch nicht beenden. Auch im Falle Portugals wird wohl ein Bail Out erforderlich sein. Portugals Schuldendienstarithmetik ist der griechischen sehr ähnlich: Das Bruttoinlandsprodukt geht zurück, für den Haushalt werden für 2011 und 2012 Defizite von bis zu 5,9 Prozent des BIP erwartet, folglich wächst die Schuldenquote weiter.

Eine Komplettumschichtung auch der portugiesischen Schulden in die Hände der drei öffentlichen Gläubiger EU/IMF/EZB mit einem anschließenden Schuldendienst-Moratorium wären fast noch wichtiger für das Eurogebiete als im Falle Griechenlands: Denn würde Portugal zahlungsunfähig, könnte dies auch Spanien aufgrund der umfangreichen Forderungen seines Bankensystems an den portugiesischen Staat akut gefährden. Madrid wäre angesichts von 20 Prozent Arbeitslosigkeit und hoher Primärdefizite kaum in der Lage, seine Banken zu stützen. Zugleich könnten die Eurogebiet-Rettungsmechanismen mit ihrer Kapazität von etwa 550 Milliarden Euro Spaniens derzeitigen Schuldenberg von 700 Milliarden nicht auch noch tragen.

Die Rettung Lissabons und Athens ist wichtig für Europa. Auch wenn der beschriebene Weg zu einem finanziellen Preis kommt, wiegen die politischen und wirtschaftlichen Vorteile einer Krisenüberwindung im Eurogebiet bei weitem mehr. Sofern es bei den beiden kleinen Südmitgliedern bleibt, wird das Eurogebiet die Kosten auch gut finanziell verkraften können. So hat Irland durchaus Chancen, seine Schuldenkrise aus eigener Kraft zu überwinden – entweder über ein anziehendes Wachstum oder über eine Umstrukturierung wie in Island. Italien ist trotz geringen Wachstums weniger gefährdet, da seine Sparquote hoch ist, und seine Gläubiger vorwiegend Einheimische sind. Bleibt also Spanien vor einer Ansteckung bewahrt, besteht Hoffnung, dass die Schuldenkrise mit der Umschichtung der griechischen und portugiesischen Schulden 2012 überwunden werden kann.

Ognian Hishow forscht an der Stiftung Wissenschaft und Politik unter anderem zu europäischer Wirtschaftspolitik. Die SWP berät Bundestag und Bundesregierung in allen Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik. Der Artikel erscheint auf der SWP-Homepage unter der Rubrik „Kurz gesagt“.

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