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Sicherheitskräfte und Journalisten vor dem iranischen Atomkraftwerk Buschehr.

© dpa

Gastkommentar: Deutschland darf Sanktionen gegen Iran nicht bremsen

Trotz der erklärten Gegnerschaft zum Atomprogramm des Iran behindert Deutschland schärfere Sanktionen. Letztlich wird die Haltung der EU gegenüber dem Iran von Berlin bestimmt werden.

Die Europäische Union stolpert durch eine neue Diskussion über Sanktionen gegen den Iran; die Mitgliedsstaaten haben mit der miteinander in Konflikt stehenden jeweiligen Außenpolitik zu kämpfen, um das Bemühen des Iran zum Erwerb von Atomwaffen zu vereiteln.

Frankreich, Großbritannien und die Niederlande betreiben Muskelspiele mit der potentesten Antiatom-Sanktionsrhetorik. Deutschland, Österreich, Schweden, Italien und Finnland – um nur ein paar wenige zu nennen – hinken weit hinterher. Fakt ist: Berlin ist inzwischen das größte zentraleuropäische Hindernis für Sanktionen, die den Iran lahmlegen, größtenteils wegen des massiven bilateralen Handelsvolumens mit Teheran. Das deutsch-iranische Handelsvolumen beträgt im vergangenen Jahr (2010) fast vier Milliarden Euro.

Trotz der öffentlichen Gegnerschaft zum Atomprogramm des Iran liefert Deutschland weiter wertvolle Technologien und Produkte in die Islamische Republik. Das jüngste Beispiel wurde erst diese Woche aufgedeckt: der Verkauf von Kanzlerin Angela Merkels luxuriösem Dienstjet an Mahan, eine behördlich zugelassene iranische Fluggesellschaft. Die US-Regierung hat Mahan im Oktober sanktioniert, da die Fluggesellschaft mit Terrorangriffen involviert sei.
Das absurde Spektakel eines iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad, der im ehemaligen Dienstjet der Kanzlerin Merkel durch die Welt tourt, spricht Bände zu Deutschlands kleinlauter Haltung gegenüber der Islamischen Republik.

Die Gefahrenlage hat sich allerdings geändert. Die in Wien ansässige Internationale Atomenergie-Behörde (IAEA) berichtete Anfang des Monats, dass der Iran „Aktivitäten durchführt, die für die Entwicklung einer explosiven Atomvorrichtung wichtig ist“. Das hat die EU veranlasst zu handeln; sie wird am 1. Dezember entscheiden, ob der wirtschaftliche Druck auf das Regime in Teheran verschärft werden soll.

Frankreich hat einen weitreichenden Vorschlag weitergegeben, um den Energie- und Finanzsektor der Islamischen Republik auszutrocknen. Dazu hat Präsident Nicolas Sarkozy am Montag eine Erklärung abgegeben, dass „die Europäische Union und ihre Mitgliedsstaaten, die Vereinigten Staaten, Japan und Kanada sowie weitere Länder die Entscheidung treffen, sofort das Vermögen der iranischen Zentralbank einzufrieren und aufhören Öl aus dem Iran zu kaufen“.

Einige Länder warten mit dem Handeln nicht bis zum 1. Dezember. Großbritannien zum Beispiel stellte am Montag alle Finanztransaktionen mit den Banken des Iran – einschließlich der Central Bank of Iran (CBI) – ein. Der britische Schatzkanzler George Osborne brachte das Problem auf den Punkt, als er sagte: „Wir tun dies, um die Sicherheit nicht nur der gesamten Welt, sondern die nationale Sicherheit des Vereinigten Königreichs zu verbessern.“

Lesen Sie auf Seite 2, wie sich andere Länder Europas zu Iran verhalten

Großbritannien könnte aber noch weiter gehen und die Iranischen Revolutionsgarden – eine militärische Eliteeinheit, die gleichzeitig den Schutz des Regimes gegen innere Bedrohungen gewährleistet, Terrorismus rund um die Welt exportiert und Technologie für das iranische Atomprogramm beschafft – zur Terrororganisation zu erklären. Die USA verhängten 2007 Sanktionen gegen die Revolutionsgarden, doch Europa – mit seinem 2010 mehr als €25 Milliarden betragenden Handelsvolumen – ist voller Angst seine Geschäfte in Gefahr zu bringen. Das ist einigermaßen verständlich, da die Garden ihre Tentakel in vollen 75% Prozent der Wirtschaft des Iran stecken haben. Während die britische Regierung mutige Schritte unternommen hat, scheuen sich andere europäische Staaten den Druck auf den Iran zu erhöhen.

Italiens Außenminister gab Dienstag eine Erklärung ab, dass das Land „den von der US-Administration angekündigten Plan für Wirtschaftssanktionen voller Überzeugung unterstützt“. Verdächtig abwesend war in Italiens Ausführungen allerdings eine Äußerung zur Reduktion der Rohölimporte aus oder zur Verringerung der diplomatischen Verbindungen mit dem Iran.

Österreich seinerseits hält sich weiter aus allem heraus. Außenminister Michael Spindelegger schweigt zu Sanktionen. Das dient nur zur Verwässerung der europäischen Haltung und wirft Zweifel zur Art des Einflusses auf, den die EU nach dem 1. Dezember haben kann. Fakt ist, dass das Fehlen einer einheitlichen EU-Politik dem Iran nur mehr Zeit verschaffen wird, um den Moment des Durchbruchs zu Atomwaffen zu erreichen.

Der EU-Energiekommissar Günther Oettinger sagte diese Woche ,dass ein EU-Embargo gegen die Einfuhr des iranischen Öls Europa nicht schaden wird. Europa könnte seine Energiebedürfnisse aus anderen Ländern versorgen, so Oettinger. Der ehemalige Ministerpräsident Baden Württembergs ist damit auf dem richtigen Weg. Waren es im ersten Halbjahr 2010 noch 197 Millionen Euro, die für den Import von iranischem Öl und Gas von Deutschland gezahlt wurde, sind es im gleichen Zeitraum 2011 bereits 208 Millionen Euro.

Letztlich wird die Haltung der EU gegenüber dem Iran von Berlin bestimmt werden. Diejenigen, die die atomaren Ambitionen des Iran vereiteln wollen, hoffen, dass Deutschland bei der Verabschiedung einer Dreistaaten-Resolution vorangeht, die gleichzeitig das Regime des Iran straft und die sich abmühende Pro-Demokratie-Bewegung stärkt. Ein scharfes Vorgehen gegen die Central Bank of Iran und die Revolutionsgarden, verbunden mit einer Politik, die den von iranischem Rohöl in die EU auf Eis legt, kann immer noch Einfluss auf das politische System des Iran nehmen und – mit etwas Glück – von seinem Atomwaffenprogramm abhalten.

Benjamin Weinthal, Jahrgang 1968, ist Europakorrespondent der Jerusalem Post und wissenschaftlicher Mitarbeiter der Foundation for Defense of Democracies.

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