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Gastkommentar: Mahmud und die Caudillos

Ahmadinedschad betreibt Bündnispolitik mit der Linken in Lateinamerika. Der Iran-Experte Stephan Grigat über neue Allianzen.

Der iranische Präsident verreist gerne. Die globalen Ambitionen der islamischen Revolution übersetzt Mahmud Ahmadinedschad in eine gleichermaßen pragmatische wie ideologisch motivierte und leider auch einigermaßen erfolgreiche Bündnispolitik. Derzeit hält er sich in Lateinamerika auf, um bei Brasiliens Lula da Silva vorstellig zu werden, Boliviens Evo Morales zu besuchen und seinem engen Vertrauten Hugo Chavez in Venezuela eine Visite abzustatten.

Die neuen Helden der lateinamerikanischen Linken stehen an vorderster Front einer Art Solidaritätsbewegung mit dem iranischen Regime. Venezuela war in der Vergangenheit neben Kuba und Syrien das einzige Land, welches das iranische Nuklearprogramm bei den Vereinten Nationen offensiv verteidigt hat. Chavez gehört mittlerweile zu den Stammgästen in Teheran.

Es geht dabei keineswegs nur um ein taktisches Bündnis, bei dem es den südamerikanischen Linken egal sein könnte, ob nun Ahmadinedschad oder die Clique um Mussawi und Rafsandschani im Iran das Sagen hat. In einer gemeinsamen Erklärung proklamierten diesen Sommer Venezuela, Bolivien und sieben weitere lateinamerikanische Staaten ihre volle „Unterstützung der Islamischen Revolution im Iran und der Regierung des Präsidenten Ahmadinedschad“. Sie stellten sich damit auf die Seite der aggressivsten Fraktion des Regimes.

Auch Brasilien, das diese Erklärung nicht unterzeichnet hat, betrachtet Ahmadinedschad als den legitimen Machthaber im Iran, Präsident da Silva mokierte sich gar über die iranische Freiheitsbewegung. Brasiliens Annäherung an Teheran – die Exporte haben sich in den letzten fünf Jahren verdoppelt – wird in westlichen Hauptstädten auch aufgrund des brasilianischen Atomprogramms mit Sorge betrachtet.

Der lateinamerikanische „Sozialismus des 21. Jahrhunderts“, wie er in einer rabiaten Ausprägung von Chavez und in der weichgespülten Variante von Lula repräsentiert wird, hat mit dem aufklärerischen und konsequent westlichen Humanismus eines Karl Marx so wenig zu schaffen, dass ihm selbst ein islamischer Apokalyptiker wie Ahmadinedschad einiges abgewinnen kann. Wohin solche Allianzen führen, lässt sich heute kaum sagen. Sicher ist nur, dass sie angesichts der gemeinsamen Feindbilder nicht so überraschend sind, wie es auf den ersten Blick scheinen mag. Chavez eifert seinem iranischen Freund nach, setzt das Vorgehen des jüdischen Staates gegen die vom iranischen Regime aufgebaute Hisbollah allen Ernstes mit dem nationalsozialistischen Massenmord gleich und schmiss zu Jahresbeginn den israelischen Botschafter aus dem Land.

Da Silva hingegen versucht sich – ganz ähnlich wie deutsche Politiker – als ehrlicher Makler zu positionieren, der mit allen gut kann und deshalb kürzlich auch dem israelischen Präsidenten Shimon Peres einen netten Empfang bereitet hat. Dennoch hat sich da Silva bei der diesjährigen UN-Generalversammlung für das Regime aus Ajatollahs und Revolutionsgarden stark gemacht, Iran als „großartigen Partner“ bezeichnet und dessen Nuklearprogramm verteidigt, das für Israel eine existenzielle Bedrohung darstellt und die iranische Bevölkerung in Geiselhaft nimmt. Er hat sich damit gegen die Beschlüsse des UN-Sicherheitsrates gestellt, die unmissverständlich die Einstellung der Urananreicherung im Iran fordern.

Es ist nachvollziehbar, warum das bedrängte iranische Regime, das zu Hause mit einer bewundernswert ausdauernden Opposition und im Westen mit einer anhaltenden, wenn auch bisher leider fruchtlosen Debatte über verschärfte Sanktionen konfrontiert ist, nach neuen Partnern Ausschau hält. Völlig unverständlich ist hingegen, dass große Teile der europäischen Linken, die ihrem Selbstverständnis nach doch einmal angetreten war, den Gedanken der allgemeinen Emanzipation zu verwirklichen, den lateinamerikanischen Freunden des antisemitischen Putschisten, Schwulenhassers und Misogyns Ahmadinedschad die Treue halten.

Der Autor unterrichtet Politikwissenschaft an der Universität Wien und ist Mitherausgeber von „Der Iran – Analyse einer islamischen Diktatur und ihrer europäischen Förderer“ (2008).

Stephan Grigat

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