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Ulrich Brömmling.

© promo

Gastkommentar: Warum gibt es keine Aldi-Uni?

Reichtum verpflichtet – aber Reichtum verpflichtet nicht jeden von uns, zu bestimmen, was Deutschlands Milliardäre mit ihrem Geld anfangen sollen. Wie man die Reichen in Deutschland zum Stiften bringen kann.

Theo Albrecht ist tot. Und obwohl er mit seinem Bruder über Jahrzehnte die Liste der reichsten Deutschen angeführt hat, reibt sich die Öffentlichkeit verwundert die Augen und fragt, was mit dem Vermögen eigentlich für die Gesellschaft getan wird. Die Albrechts haben und hatten Stiftungen – die Markus-Stiftung und die Siepmann-Stiftung –, aber besonders aufgefallen sind die beiden auch als Wohltäter in der Tat nicht. Damit befinden sie sich in guter Gesellschaft: Über 800 000 Millionäre gibt es in Deutschland, der Anteil der großen Stifter unter ihnen liegt im Promillebereich.

Und doch kann sich Deutschland sehen lassen – auch was die Stiftungen der sogenannten Reichen angeht. Nur vergessen wir zu oft, dass hinter den großen Projekten der Körber-Stiftung, der „anstiftung“, der Zeit-Stiftung und der Hertie-Stiftung reiche Persönlichkeiten steckten oder stecken. Von privaten Wohltätern profitiert durchaus auch das an großen Stiftungen arme Berlin: Sigrid Kressmann-Zschach, Dieter Rosenkranz und Ruth Cornelsen sind nur drei Namen von vielen.

Reichtum verpflichtet – aber Reichtum verpflichtet nicht jeden von uns, zu bestimmen, was Deutschlands Milliardäre mit ihrem Geld anfangen sollen. Und erst die Stiftungen einzufordern und sich dann zu beschweren, dass der Stifter oder die Stiftung in der Gesellschaft zu viel Macht hat, wie es in Deutschland schöner Brauch ist, animiert ebenfalls nicht gerade zur stifterischen Tat.

Mehr privates Stiftungsgeld fürs Gemeinwohl wäre wunderbar. Doch auch ohne das Geld der Albrecht-Brüder bricht unser Land nicht zusammen. Unser System ist, anders als in den USA, wo jetzt Buffet und Gates eine beispiellose Wohltätigkeitsaktion gestartet haben, darauf weniger angewiesen: Dort ist der Wohlfahrtsstaat weniger stark ausgeprägt, und in Skandinavien, wo man noch staatsgläubiger ist als bei uns, fehlen dagegen bis auf wenige Ausnahmen die ganz großen Stifter, die Deutschland schließlich vorzuweisen hat. Es ist erst zwei Jahre her, dass mit einer Milliarde Euro Stiftungskapital eine der größten Stiftungen in Hamburg ihre Arbeit aufnahm. Das war so viel wie alle anderen 1000 neuen Stiftungen des Jahres 2008 zusammengenommen: Der Tchibo-Miteigentümer Joachim Herz war 67-jährig gestorben und hatte schon zuvor testamentarisch festgelegt, dass das Vermögen einmal in eine Stiftung fließen soll. Es gibt sie also, die weisen, vorausschauenden, guten Reichen.

Große allgemeine Appelle helfen im Übrigen selten. Eine Milliardärin, aber auch ein kleiner Millionär möchte nicht von einem Regierenden Bürgermeister oder einer Ministerpräsidentin vorgeschrieben bekommen, wofür das Vermögen einzusetzen ist. Doch es gibt einen Weg, der bisher viel zu selten beschritten wurde: Wenn sich nämlich jede Landesregierung einmal Gedanken über die jeweils 100 reichsten Einwohner machte, wenn sie bedacht, unverkrampft und unaufgeregt überlegte, über welches Netzwerk man jeden Einzelnen langfristig erreicht, um ihm oder ihr die guten Seiten einer gemeinnützigen Stiftung darzulegen. Dann spricht die Staatssekretärin schon bald mit dem Millionär, der in ihrem Tennisclub spielt, und der Oberstaatsanwalt, den der Wirtschaftssenator kennt, mit der Milliardärin aus Zehlendorf, die seine Cousine ist. Nur in zehn Prozent der Fälle wird man erfolgreich sein. Aber so hätten wir in zehn Jahren ohne Druck und moralischen Zeigefinger in Deutschland 160 neue Millionen- oder gar Milliardenstiftungen.

Und ganz ehrlich: Bucerius Law School, Hertie School of Governance, Jacobs University Bremen – alles wohlklingende Institutionen. Aber eine Aldi-Universität? Wer möchte schon mit einem Aldi-Abschluss durchs Leben gehen?

Der Autor arbeitet als Stiftungs- und Kommunikationsberater

in Berlin.

Ulrich Brömmling

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