zum Hauptinhalt

Gastkommentar: Weltklimakonferenz: Was an der EU-Strategie falsch ist

Die EU setzt bei der Weltklimakonferenz auf klassische Handlungsmuster und auf ein internationales Abkommen für das Jahr 2015. Damit wiederholt sie nicht nur einen alten Fehler, sagt Oliver Geden von der Stiftung Wissenschaft und Politik. Falsche Hoffnungen gefährden die Klimadiplomatie insgesamt.

Beim Weltklimagipfel im südafrikanischen Durban steht die Europäische Union (EU) vor einem Dilemma. Soll die klimapolitisch nach wie vor ehrgeizigste Weltregion weiterhin auf eine hoffnungsfrohe Klimadiplomatie setzen, obwohl diese in den vergangenen 20 Jahren kaum belastbare Ergebnisse gebracht hat und die globalen Treibhausgasemissionen im gleichen Zeitraum um ein Drittel gestiegen sind?

Nachdem der Kopenhagener Gipfel 2009 aufgrund überzogener Erwartungen und eines nachlässigen Konferenzmanagements spektakulär gescheitert war, hatte man im darauffolgenden Jahr eine vorsichtigere Herangehensweise gewählt. Von unrealistischen Hoffnungen entlastet konnte die 16. Vertragsstaatenkonferenz der Klimarahmenkonvention (COP 16) in Cancún immerhin zeigen, dass die Klimadiplomatie noch funktionsfähig ist. Insofern überrascht es nicht, dass die EU auch für Durban (COP 17) eine eher zurückhaltende Verhandlungsstrategie wählt. Das Problem dabei: Aufgrund der ungebremst ansteigenden Emissionen und dem nahenden Scheitern des 2-Grad-Ziels taugt dieser Ansatz nicht als klimapolitische Lösungsstrategie.

Um diesem Dilemma zu entgehen, setzt die EU – gemeinsam mit verbündeten westlichen Industriestaaten (Norwegen, Australien, Schweiz) – auf das klassische Handlungsmuster der Klimadiplomatie: Man nährt Hoffnungen auf einen großen Durchbruch in der Zukunft, kombiniert also kurzfristige Erwartungsminimierung mit mittelfristiger Erwartungsverschiebung. Die Konferenz in Durban soll nach dem Willen der Europäer einen Fahrplan beschließen, der das Ziel vorgibt, bis 2015 einen umfassenden und völkerrechtlich verbindlichen Weltklimavertrag zu beschließen.

Auch 2015 wird es keinen Weltklimavertrag geben

Die Wahl des Jahres 2015 scheint zwar gut begründet. In den beiden Jahren zuvor wird zum einen der 5. Sachstandbericht des Weltklimarats IPCC erscheinen, mit – im Vergleich zum 4. Sachstandsbericht von 2007 – voraussichtlich noch einmal skeptischeren Prognosen. Zum anderen soll 2015 auch die Review der unilateralen Emissionsreduktionszusagen („Pledges“) abgeschlossen sein, die die Nationalstaaten im Anschluss an den 2009 verabschiedeten „Copenhagen Accord“ abgegeben haben.

Jedoch ist die Hoffnung unrealistisch, dass die 2015 neu vorliegenden Daten zu einem tiefgreifenden Wandel der klimapolitischen Präferenzen von China, Indien oder den Vereinigten Staaten führen werden. Sie basiert auf der vor allem von der EU und dem IPCC genährten Illusion, Klimapolitik könne primär wissenschaftsbasiert erfolgen. 20 Jahre Klimadiplomatie haben jedoch deutlich gezeigt, dass auch die Klimapolitik – nicht anders als andere Felder der internationalen Politik - im Kern politischen und volkswirtschaftlichen Interessen der relevanten Akteure folgt.

Die Einigung auf einen Fahrplan bis 2015 hätte für die EU-Klimadiplomatie den Vorteil, dass man derzeit zwar keine wirklichen Fortschritte erzielen kann, aber durch Artikulation ambitionierter Zukunftspläne vier weitere Jahre Zeit gewinnt. Zu einem solchen Angebot werden wohl auch weniger ambitionierte Industrie- und Schwellenländer kaum „Nein“ sagen können. Das Vorgehen erinnert insofern stark an vergangene Phasen der Klimadiplomatie, etwa an die 2007 beschlossene „Bali Roadmap“, die beim Kopenhagener Gipfel zu einem umfassenden Weltklimavertrag hätte führen sollen.

Für die Klimapolitik wäre ein „Kopenhagen II“ im Jahr 2015 fatal. Das Vertrauen in die Problemlösungsfähigkeit des UN-Systems würde weiter erodieren, die Bereitschaft zur globalen Kooperation ebenso. Angesichts der ungebremst ansteigenden Emissionen und den zunehmend düsteren Prognosen prominenter Klimaforscher droht ein klimapolitischer Fatalismus, der technische Methoden der Klima-Manipulation (Geo-Engineering) vermutlich als letzten Ausweg erscheinen ließe.

Was die Europäer stattdessen tun könnten

Einen umfassenden, ambitionierten und zugleich mit wirksamen Sanktionsmechanismen ausgestatteten Weltklimavertrag wird es auf absehbare Zeit nicht geben. Und selbst wenn sich eine Klimakonferenz jemals darauf einigen könnte, stünde ein mindestens fünfjähriger Ratifizierungs-Prozess bevor – selbst beim vergleichsweise „schmalen“ Kyoto-Protokoll dauerte dies sieben Jahre!

Statt die Zeit bis 2015 auf mutmaßlich vergebliche Hoffnungen zu verwenden, sollte die EU den Realitäten ins Auge sehen und ernsthaft nach alternativen Wegen suchen – statt den derzeitigen Pfad der Klimadiplomatie für alternativlos zu erklären. Damit nähme sie weniger ehrgeizigen Akteuren auch die Möglichkeit, ihre Untätigkeit mit Verweis auf ein fehlendes globales Abkommen zu legitimieren.

Die globale Aufgabe der EU besteht deshalb nicht zuletzt darin, zu beweisen, dass eine wirksame Klimapolitik schon unter heutigen Bedingungen technologisch umsetzbar, versorgungssicherheitspolitisch sinnvoll und wirtschaftlich zumindest nicht nachteilig ist.

Weltweit wird sich der Fokus auf pragmatische Schritte zur Emissionsreduktion verschieben müssen. Regionale Programme zur Anpassung an den Klimawandel werden einen größeren Stellenwert erhalten, aber auch flexible und anreizorientierte Kooperationsregime zwischen einzelnen Industrie-, Schwellen- und Entwicklungsländern. Denn Fortschritte bei der globalen Reduktion von Emissionen kann es nur dann geben, wenn entsprechende Politiken auch für Schlüsselstaaten wie USA, China und Indien anschlussfähig sind, wie etwa Maßnahmen zur Verbesserung der Energieeffizienz und zur Erhöhung der Energieversorgungssicherheit.

Dies bedeutet keineswegs, dass die EU allein auf den „good will“ der weltweit größten Emittenten angewiesen wäre. Sie kann auch versuchen, ihre Klimapolitik durch handelspolitische Maßnahmen zu globalisieren, etwa durch „Klimazölle“ für Waren aus Ländern ohne CO2-Bepreisung. Dass die EU es ernst meint mit dem Klimaschutz, beweist sie weniger durch ihre Verhandlungspositionen in Durban. Weit wichtiger ist es zum Beispiel, beim laufenden Streit um die Einbeziehung des interkontinentalen Luftverkehrs in den europäischen Emissionshandel hart zu bleiben.

Oliver Geden forscht an der Stiftung Wissenschaft und Politik unter anderem zur Klima- und Energiepolitik der EU. Die Stiftung berät Bundestag und Bundesregierung in allen Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik. Der Artikel erscheint auf der SWP-Homepage in der Rubrik „Kurz gesagt“.

Oliver Geden

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false