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Dass die CDU in Sachen Homo-Ehe eingelenkt hat, mag ihr im Wahlkampf helfen. Danach könnte die Entscheidung aber für Probleme sorgen.

© dpa

Homo-Ehe: Der atomisierte Markenkern der CDU

Schon wieder wird die CDU von der gesellschaftlichen Realität eingeholt, schon wieder muss sie eine Grundüberzeugung auf dem Altar der Moderne opfern. Im Wahlkampf mag der CDU dies vielleicht kurzfristig einen Vorteil verschaffen. Doch anschließend könnte die Partei große Probleme bekommen.

Die Ankündigung ist mehr als ein programmatischer Kurswechsel, sie gleicht einer politischen und gesellschaftlichen Revolution. Die CDU lenkt in Sachen Homo-Ehe ein. Am Donnerstag vergangene Woche wurde die Partei noch vom Bundesverfassungsgericht vorgeführt, doch damit soll jetzt Schluss sein. Die CDU will nun auf politischem Wege gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften im Adoptions- und im Steuerrecht der Ehe gleichstellen.

Wieder einmal wurde die CDU von der gesellschaftlichen Realität eingeholt, wie zuletzt bei der Wehrpflicht, der Atomkraft und beim Mindestlohn, schon wieder eine Merkel-Wende. Politische Pirouetten scheinen zum Markenzeichen der Kanzlerin zu werden, zumal auch die Eurokrise sie ständig dazu zwingt. Ihre Wähler scheint es nicht zu stören. Noch nicht.

Auch in Sachen Homo-Ehe ist deshalb nun von einem Wahlkampfmanöver die Rede. Parteistrategen sprechen von „asymmetrischer Mobilisierung“, mit der der politische Gegner geschwächt werden soll, weil ihm so im Kampf um die Wähler die Mobilisierungsthemen ausgehen. Auch ein „schwarz-grünes Signal“ haben Beobachter ausgemacht.

Doch eine solche Betrachtung greift viel zu kurz. Der Kurswechsel der Christdemokraten in Sachen Homo-Ehe ist sehr viel mehr als eine politische Wende oder ein wahlkampftaktisches Manöver. Sie wird nicht nur die Gesellschaft, sondern auch die CDU grundlegend verändern. Mehr noch als die Abschaffung der Wehrpflicht, der Atomausstieg oder der Mindestlohn berührt die traditionelle Ehe den traditionellen Markenkern der CDU, die Identität katholischer und konservativer Wähler der Partei.

Der Mindestlohn ist in einer christlich Partei, die traditionell einen starken sozialen Flügel hat, genauso politisch vermittelbar, wie der Umstieg auf regenerative Energien gegenüber konservativen Naturschützern.

Der Schutz der Ehe hingegen gehört sozusagen zur DNA einer christlichen Partei, die aus der Tradition des protestantischen Konservatismus und vor allem des politischen Katholizismus in Deutschland hervorgegangen ist. Schließlich ist die Ehe zwischen Mann und Frau nach Vorstellung der katholischen Kirche ein Sakrament, ein Geschenk Gottes. Daraus ergibt sich aus Sicht gläubiger Katholiken eine besondere Achtung der Ehe. Und auch wenn die Ehe für Protestanten ein „weltliches Ding“ (Luther) ist, gehört sie doch zur Jahrhunderte alten Tradition des westlichen Abendlandes, auf die sich Konservative gerne berufen.

Nun wird also die Homo-Ehe zur Ehe, vielleicht sogar noch vor der Bundestagswahl. Die CDU wird also wieder einmal Geschichte schreiben. Die FDP ist seit Langem dafür, selbst die CSU sperrt sich nicht grundsätzlich gegen die Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften, sie warnt nur vor „Schnellschüssen“.

Einerseits hat die CDU kaum eine andere Wahl. Die „klaren Tendenzen der Rechtsprechung“, wie Fraktionschef Kauder es nannte, drängen die CDU genauso, wie die gesellschaftliche Realität, vor allem in den großen Städten. Dort gehören gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften mittlerweile zum postmodernen Alltag und dort stand die CDU zuletzt bei den Wählern häufig auf verlorenem Posten.

Überhaupt hat die Institution Ehe in den letzten Jahrzehnten einen grundlegenden Wandel durchgemacht und deren weitere Schleifung ist nun eigentlich unvermeidlich. Denn nach der rechtlichen Gleichstellung der Homo-Ehe wäre es nur logisch und konsequent, zur steuerlichen Förderung von Familien und Kindern das Ehegattensplitting durch ein Familiensplitting zu ersetzen.

Andererseits sind über den Wahltag hinaus vor allem die langfristigen Auswirkungen für die CDU unkalkulierbar. Schritt für Schritt hat die CDU in den letzten Jahren ihren Markenkern atomisiert. Sicherlich ist die Abschaffung der Wehrpflicht die größere Herausforderung, sicher war der Kurswechsel in der Energiepolitik spektakulärer. Doch die Folgen könnten nun nachhaltiger sein. Ehe und Familie berühren schließlich die sehr private Lebenswelt der Deutschen und die sehr individuellen Lebensentwürfe. Zudem ist es mitnichten so, dass Homosexualität in der Gesellschaft etwas völlig Normales wäre und gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften frei von Diskriminierungen. Im Gegenteil.

Die CDU wagt also ein hohes Risiko. Doch der Wahlkampf und das Bundesverfassungsgericht lassen ihr wenig Zeit. Ob Merkel ein solches politisches Manöver am Wahltag allerdings tatsächlich nutzt, muss sich noch erweisen. Vielleicht wählen die Wähler dann doch lieber das Original. In Sachen Homo-Ehe und sonstiger postmoderner Lebenswelten besitzen die Grünen sicherlich die größere Glaubwürdigkeit und der Mindestlohn ist seit Langem ein Thema der politischen Linken.

Es mag sein, dass sich die Mehrheit der Wähler in Deutschland von Angela Merkel gut regiert fühlt. Doch irgendwann werden die Anhänger der CDU auch wieder die Frage stellen, welche politischen Grundüberzeugungen hält ihre Partei eigentlich noch zusammen? An welchen gesellschaftlichen Konfliktlinien will die CDU ideologische Debatten führen und mit welchen politischen Forderungen will sie sich beim Wähler profilieren. Wofür steht die CDU überhaupt noch, was bleibt von der Partei jenseits des Zeitgeistes und der Macht.

Noch überdeckt Angela Merkel die strukturellen Probleme der CDU. Vielleicht gelingt es mit ihr sogar, die Wahl im September erfolgreich zu bestreiten. Doch auf Dauer kann eine solche politische Strategie nicht gut gehen.

Die SPD hat nach sieben rot-grünen Jahren und vier Jahren Großer Koalition schmerzlich erfahren müssen, was es heißt, die DNA der Partei zu verändern. Die Partei war gespalten, die Basis verunsichert und von links erwuchs der Partei starke politische Konkurrenz. Der Sturz in der Wählergunst war tief.

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