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Autor Matthias Kalle.

© Promo

Ich habe verstanden: Die Macht der Medien wird überschätzt

Unser Kolumnist will klarstellen: Mit dem Sturz des Bundespräsidenten haben Journalisten wie er genauso wenig zu tun wie mit der Qualität des Fernsehprogramms.

Ich habe mir die Rücktrittserklärung von Christian Wulff am Freitag in der Redaktion angeschaut, mit zehn Kollegen stand ich um einen kleinen Fernseher, und als Wulff sagte „Ich trete deshalb heute zurück, um den Weg zügig für die Nachfolge frei zu machen“, da knallten keine Korken und niemand brach in Jubelstürme aus. Wir dachten nicht: Endlich, jetzt haben wir es geschafft.

Wir. Die so genannten Medien. Die – so sahen es laut Umfragen viele Deutsche – eine „Hetzkampagne“ gegen Christian Wulff losgetreten hätten, ähnlich wie vor einem Jahr bei Karl-Theodor zu Guttenberg. So als ob „die Medien“ Fehler gemacht hätten – und nicht die Personen, über die berichtet wurden. Christian Wulff ist zurückgetreten, weil die Staatsanwaltschaft in Hannover am Donnerstagabend die Aufhebung der Immunität des Bundespräsidenten beantragt hatte – und aus keinem anderen Grund sonst. Dass Wulff in seiner Erklärung aber nun sagt „Die Berichterstattungen, die wir in den vergangenen zwei Monaten erlebt haben, haben meine Frau und mich verletzt“, soll noch einmal den Eindruck erwecken, dass hier ein Unschuldiger gejagt wurde. Alles an diesem Eindruck wäre falsch.

Die Macht, die den Medien zugesprochen wird, bekam in den vergangenen Wochen etwas Unheimliches, vor allem bekam sie aber auch etwas Unrealistisches. Die Macht der Medien – und hier geht es ja tatsächlich um die klassischen Printmedien – ist geringer, als mancher glaubt. Leider glauben auch viele Journalisten, dass sie Macht hätten, und liegen damit auch falsch. In den verschiedenen Theorien zur Medienwirkungsforschung scheint eine der Wahrheit noch am nächsten zu kommen, und zwar die Verstärkertheorie. Sie besagt, dass die meisten Menschen die Medien selektiv nutzen – und zwar so, dass sie sich in einer bereits bestehende Meinung bestärkt sehen: Menschen neigen also dazu, sich Texte durchzulesen, deren Haltung sie ohnehin schon vorher hatten. Ein gutes Beispiel dafür ist die Fernsehkritik.

Ab und zu schreibe ich Fernsehkritiken für den „Tagesspiegel“ - keine einzige meiner Fernsehkritiken hat bisher dazu geführt, dass das Fernsehen besser geworden wäre. Leserbriefe und Leserkommentare im Internet beweisen mir jedes mal aufs Neue, dass ich nicht in der Lage bin mit einer Fernsehkritik zu überzeugen, und zwar im Guten wie im Schlechten. Wenn ich mich in der Vergangenheit kritisch über Satiresendungen wie „Neues aus der Anstalt“ geäußert habe, dann war die einhellige Meinung der Leser, dass ich keine Ahnung von Satire hätte. Wenn ich mich in der Vergangenheit positiv über Harald Schmidt geäußert habe, dann erklärten mir die Leser, dass nichts überflüssiger sei als Harald Schmidt. Wenn ich eine Serie wie „Im Angesicht des Verbrechens“ lobe, bekomme ich Briefe, in denen steht, dass das ja gar nicht sein könne. Manchmal vergessen diese Leserbriefschreiber nicht zu erwähnen, dass sie ja schon seit Jahren gar kein Fernsehen mehr schauen.

Das ist übrigens alles vollkommen in Ordnung, ich jammere nicht, weder ich noch meine Frau fühlen sich durch solche Briefe verletzt. Ich glaube eben nur, dass die meisten Menschen in ihren Überzeugungen standfester sind, als sie selbst und manche Journalisten denken. Das ist zunächst einmal ein guter Befund.

In meiner Funktion als Fernsehkritiker habe ich übrigens in den vergangenen Wochen hier und da mal fallen lassen, dass ich Klaas Heufer-Umlauf für ein großes Moderationstalent halte, und dass ich finde, das ZDF solle ihm „Wetten, dass...?“ geben, schließlich war Thomas Gottschalk 1987, als er die Sendung von Frank Elstner übernahm, auch nichts anderes als ein großes Moderationstalent (Heufer-Umlauf halte ich übrigens für noch talentierter, aber gut). Auch habe ich hier und da meine Meinung zu Markus Lanz geäußert, sie ist nicht sonderlich gut, ich bin nicht der einzige Fernsehkritiker, der das so sieht.

Markus Lanz wird „Wetten, dass...?“ übernehmen, die Medien werden es nicht verhindern können, sie werden nur sein mögliches Scheitern beobachten und gegebenenfalls darüber berichten. Das ist im Grunde auch schon alles. Und es ist völlig in Ordnung.

Erwähnte ich eigentlich schon mal, dass ich ein großer Fan der Demut bin?

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