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Internet-Aktivist Jeff Jarvis, hier bei der re:publica.

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Internet-Aktivist: Jeff Jarvis: "Ihr Deutschen, seid öffentlicher"

Internetaktivist Jeff Jarvis hat auf dem Demokratiekongress der Konrad-Adenauer-Stiftung eine Grundsatzrede zu neuen Öffentlichkeiten gehalten und neue Prinzipien für die Netzkultur vorgeschlagen. Seine Rede im Wortlaut.

"Der Datenschutz hat viele Beschützer, die Öffentlichkeit leider zu wenig. Heute werde ich Sie auffordern, die Öffentlichkeit und ihre Werkzeuge zu schützen. Jürgen Habermas argumentiert, dass die Öffentlichkeit im 18. Jahrhundert entstanden ist durch das Führen rationaler, kritischer Debatten in den Kaffeehäusern und Salons in Europa - als Gegengewicht zur Macht der Regierung. Eine Gruppe von Wissenschaftlern aus Kanada und den USA argumentiert, dass es vor Jahrhunderten schon Öffentlichkeit und Werkzeuge der Öffentlichkeit gegeben hat: die Bühne, die Kunst, die geschriebene Musik, Märkte und natürlich die Druckerpresse von Gutenberg als wichtigstes Instrument. Die ist vielleicht das wichtigste Instrument der Öffentlichkeit - bis das Netz kam. Das Netz legt gewissermaßen eine Druckerpresse in die Hand aller Menschen. Wir sind erst am Anfang der Veränderung, die alle betrifft: die Medien, die Wirtschaft, den Staat und die Gesellschaft an sich.

Eine andere Gruppe von dänischen Wissenschaftlern sagen, dass unsere Öffentlichkeit heute einen anderen Hintergrund hat - sie bezeichnen das als "Gutenberg-Klammer". Auf der einen Seite, die Vor-Gutenberg-Zeit, als Wissen noch durch Mund-zu-Mund-Propaganda weitergetragen wurde oder besser von Schreiber zu Schreiber - großen Wert auf Autorenschaft und Urheberschaft hat man da nicht gelegt. Ziel war es, die Weisheit der Gelehrten zu bewahren. Mit Gutenberg wurde Wissen linear - wie auch unser Verständnis der Welt - mit Anfang und Ende. Wissen wurde zum Produkt und war kein Prozess mehr. Ein Produkt sogar, dass einen Besitzer hatte. Wir gingen dazu über, zeitgenössische Autoren und ihr Wissen zu respektieren. Es ist die lange Zeit geltende Seite der Klammer.

Heute sind wir wieder auf der anderen Seite der Gutenberg-Klammer angekommen. Wissen wird wieder von Link zu Link vermittelt - ohne klaren Beginn und klares Ende. Es ist wieder ein Prozess und kein Produkt. In seinem demnächst erscheinenden Buch "Too Big to Know" sagt David Weinberger, dass "das Wissen vernetzt wird, die intelligenteste Person im Zimmer ist nicht die Person, die vorne steht und Vorträge hält und es ist nicht die Person, mit der größten Weisheit im Raum. Die intelligenteste Person im Zimmer ist der Raum selbst: Das Netzwerk der Menschen und deren Ideen, die in den Raum treten. Der Raum ermöglicht es uns, das Wissen zu teilen." Diese dänischen Wissenschaftler sagen, dass die Anpassung an die Gutenberg schwierig war. Wir befinden uns in einer Post-Gutenberg-Zeit. Normen, Sitten, Gesetze, Strukturen und Organisationen passen sich an. Wir gehen davon aus, dass alles ganz schnell geht. Aber was wenn nicht? Was ist, wenn wir erst am Anfang stehen?

John Naughton, ein Kolumnist des Observer in London, sagt: Wir sollten uns vorstellen, wie es wäre, wenn man 1472 auf einer Brücke in Mainz eine Umfrage durchgeführt hätte mit der Frage, was die Erfindung Gutenbergs bewirken wird:

- Untergrabung der katholische Kirche und eine Reformation,

- eine wissenschaftliche Revolution,

- neue soziale Klassen und Berufe,

- sie ändert unsere Vorstellungen von Bildung und Kindheit,

- sie ändert unserer Sicht auf die Gesellschaft und Nationen. Sicherlich nur wenige würden so gedacht haben. Heute stehen wir an einer ähnlichen Stelle. Wir sind sozusagen wieder 1472. Der Wandel hat gerade erst begonnen. Und: Wir können noch nichts sehen.

Die Historikerin Elizabeth Eisenstein hat einmal gesagt, dass das Buch auch erst 50 Jahre nach der Gutenberg-Erfindung kam und die Auswirkungen dessen erst ein ganzes Jahrhundert später klar waren. Wir wissen noch nicht, wie unsere Zukunft aussehen wird. Also sage ich: Es wäre ein Fehler, jetzt alles zu regulieren und zu beschränken. Wir müssen die Zukunft im Netz aufbauen. Wir dürfen unsere Zukunft nicht Es wäre ein Fehler, die Zukunft durch unsere Vergangenheit zu definieren.

Betrachten wir die Occupy-Wall-Street-Bewegung. Diese sorgt für Verwirrung, weil sie nicht institutionalisiert ist. Es ist keine Organisation, es gibt keine Führung, keine Sprecher, kein gemeinsamer Glaube und keine Nachricht, die dahinter steht. Es ist letztlich ein leeres Gefäß, in dem sich Menschen versammeln, um ihre Probleme und Beschwerden kundzutun. So könnte es eine Plattform für Reformation oder Revolution werden. Es ist ein Beispiel dafür, wie Menschen versuchen, die Architektur des Netzes nachzuahmen: Vom Ende zum Ende, Jeder zu jedem, Hierarchien und Mediatoren werden umgangen.

Warum Regierungen heute das Gegenteil von dem sind, was sie sein sollten

Bei allen sozialen Bewegungen, egal, ob in Spanien, beim arabischen Frühling oder Occupy-Wall-Street müssen wir uns fragen, ob sich diese Menschen Nationen verpflichtet fühlen oder Begriffen. Beim arabischen Frühling sind wahre Öffentlichkeiten entstanden. In Europa sehen wir Regierungen, die von Anleiheeignern an der kurzen Leine gehalten werden. Wir müssen uns fragen, wer ist demokratischer: Ägypten oder Griechenland? Wir müssen in vielerlei Hinsicht unsere Definitionen von Nationen und von Öffentlichkeiten überdenken. Wie sonst wird das Netz die Gesellschaft verändern? Wird es eine Eigenkultur, ein Eigenleben entwickeln? Als ich mit einer Gruppe von Zeit-Online-Redakteuren über Privatsphäre sprach, sagte einer von ihnen, seine Kinder würden sich nicht mehr wie Deutsche verhalten, sondern wie Bürger im Netz.

Wird unsere Welt, wie das Netz, für Offenheit und flache Strukturen stehen? Regierung sind heute zu oft verschlossen und zu selten offen. Das Gegenteil sollte der Fall sein: Transparenz als Standard und Verschlossenheit nur, wenn es absolut notwendig ist. Es gibt notwendige Geheimnisse: Sicherheit, Strafverfolgung, Diplomatie, und am wichtigsten, die Privatsphäre der Bürger. Aber Wikileaks hat uns gelehrt, wie unsicher Geheimnisse sind und wie banal Geheimnisse manchmal sind. Einige der enthüllten Geheimnisse, bereiteten aber auch den Weg für die arabische Revolution.

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Und wenn Regierung transparenter sind, sollten dann nicht auch Unternehmen offener sein? Ist ein Unternehmen besser, wenn es verschlossen agiert oder wenn es Offenheit praktiziert - auch gegenüber seinen Besitzern und Anteilseignern.

Müssen wir im industriellen Zeitalter unsere Idee von Bildung aktualisieren? Wir bringen ständig sie gleichen Studenten hervor, mit denselben Wissen und Antworten. Google kann das besser und ein neues Google entsteht so nicht.

Und natürlich sind die Medien im Wandel. Ich glaube, der Journalismus muss Plattformen entwickeln, die es Menschen ermöglichen, Informationen zu tauschen. Und Journalisten müssen sich Fragen, welchen mehrwert sie beisteuern können und welchen sie daraus ziehen können. Meine Schüler haben heute die Möglichkeit, ihr eigenes Medienunternehmen aufzubauen. Wir lehren auch den Umgang mit der Öffentlichkeit, die sie mit schaffen. Sie sollten sie sich mehr als Mitglieder eines ökonomischen Systems verstehen und nicht als Eigentümer einer Branche.

Das Verpixelungsrecht bei Google-Street-View ist gefährlich

Wir wissen nicht, welche Form unsere zukünftige Welt haben wird. Wir haben gerade erst begonnen, sie aufzubauen. Also bitte ich Sie, sicherzustellen, dass wir auch die Instrumente, die wir dafür brauchen haben - mit aller Schlagkraft dieser Werkzeuge. Ich bitte Sie, auch die unbeabsichtigten Folgen von wohlmeinender Regulierung zu berücksichtigen. Betrachten Sie doch mal diese Einschränkungen in der Privatsphäre:

- Das "Verpixelungsrecht", also das Recht, auf Google Street View etwas zu verpixeln, ist meiner Meinung nach ein gefährlicher Präzedenzfall für den öffentlichen Raum: Wenn man bei Google Unschärfen einbauen kann, können dann nicht auch Journalisten und Bürger mit denselben Argumenten unter Druck gesetzt werden, etwas nicht zu veröffentlichen? Einige sagen, Google dürfe kein Profit damit machen, dass es bloß die Ansicht des öffentlichen Raums anbietet. Sollte ein Künstler das dürfen? Und wenn eine Erlaubnis benötigt wird, wer erteilt die denn? Der Bewohner, der Besitzer, der Architekt, der Erbauer? Was sind die Prinzipien?

- In ihren vier Grundsätzen der Internet-Regulierung hat EU-Kommissarin Viviane Reding für ein Recht zu vergessen argumentiert. Das klingt verlockend. Aber was, wenn du mir das als Schriftsteller oder Verleger sagst, dass ich alles vergessen muss und löschen soll? Betrifft das dann nicht auch mein Recht auf freie Meinungsäußerung? Wollen wir wirklich den freien Fluss von Wissen stoppen, obwohl längst alles bekannt ist?

- Deutschlands Datenschutzbeauftragter, Peter Schaar, hat sich für Datenschutz-Standards stark gemacht. Aber wenn diese Standards auf sagen wir den Fotodienst Flickr übertragen werden, könnten die Menschen ihre Bilder nicht mehr teilen, Communities aufbauen und die Bilder als "witzig" markieren. Ich möchte nicht in einer Gesellschaft leben die standardmäßig privat ist. Ich möchte in einer Gesellschaft leben, die standardmäßig sozial ist.

- In den Vereinigten Staaten, schränkt die "Children Online Privacy Protection Act", COPPA, Websites ein, Informationen von Kindern unter 13 Jahren zu verwenden. Auch dies klingt vernünftig. Aber es gibt unbeabsichtigte Folgen: Erstens bringen wir unseren Kindern lügen bei. Wissenschaftler Danah Boyd hat herausgefunden, dass mehr als die Hälfte der 12-Jährigen Facebook-Seiten haben - und 76 Prozent davon erstellen ihren Account mit Hilfe ihrer Eltern. Die Eltern sagen, sie wollen nicht, dass die Regierungen die Entscheidung trifft, ob ihre Kinder das machen dürfen oder nicht. Die tatsächlichen Auswirkungen der COPPA, aus meiner Erfahrung ist, dass die Unternehmen keine Sites für Kinder machen, weil das Risiko zu groß ist. Das Ergebnis: Kinder werden am schlechtesten von der Online-Gesellschaft bedient. Das ist eine Tragödie.

- Es gibt Bemühungen, alle Online-Inhalte zu filtern, um Kinderpornografie in Österreich oder Piraterie in Belgien zu vereiteln. Ähnliche Tendenzen gibt es auch in den USA. Ich stimme mit dem Europäischen Gerichtshof überein, dass ein solches Gesetz keine Gültigkeit hat, denn es würde dem Internet-Geschäft schaden und es würde die Privatsphäre der Nutzer strapazieren und ihr Recht, Informationen frei auszutauschen.

- In den USA gibt es Bestrebungen, bestimmte Cookies automatisch zu löschen. Die unbeabsichtigte Folge wäre, das die Unterstützung für bestimmte Medien und Inhalte zurückgeht.

- Schließlich argumentierte Nicolas Sarkozy in Avignon vor Kurzem, dass die Kultur ein Verteilungsproblem hat. Ich sage, genau das Gegenteil ist richtig: Die Kultur hat ihr Verteilungsproblem gelöst, indem jeder überall ein Publikum finden kann. Ein Problem haben die Verteilungs-Unternehmen: Man braucht sie nicht mehr. Sarkozy versucht, die alten Medien und die alte Wirtschaft zu verteidigen, nicht die Kultur.

Das ist, was Macht macht: sich selbst verteidigen. Und das macht Technik: stören. Wir erleben einen Kampf zwischen Macht und Veränderung. Außerdem beobachten wir, unsere Bemühungen, die richtige Balance zwischen Privatem und Öffentlichem, dem Einzelnen und der Gemeinschaft zu finden.

Die schwierige Balance zwischen Öffentlichkeit und Privatsphäre

Dieses Austarieren ist nicht neu. Es taucht immer dann auf, wenn neue Technologien für einen Wandel sorgen. Von Gutenberg zur Kodak-Kamera, die die ersten ernsthaften Diskussionen über ein gesetzliches Recht auf Schutz der Privatsphäre in den USA zur Folge hatte. Andere Technologien haben ähnliche Ängste ausgelöst und ähnliche Anpassungen hervorgerufen. Es ist schön und gut, sich über die schlimmen Folgen neuer Technologien zu reden und wie man sie verhindern kann. Aber wenn wir unser leben immer nur am schlimmstmöglichen Fall ausrichten, werden wir den bestmöglichen Fall nie erreichen.

Ich muss betonen, dass Privat und Öffentlich keine Gegensätze sind, sie sind nicht im Krieg. Sie sind ein Kontinuum, wie heiß und kalt, nass und trocken. Wir müssen beides haben. Eines ist abhängig vom anderen. So fordere ich Sie auf, die Aufmerksamkeit nicht nur auf die Risiken für die Privatsphäre durch Technik zu richten, sondern auch auf die Vorteile. Es gibt viele: · Öffentlichsein verbessert Beziehungen: Es gibt einen Grund, warum 800 Millionen Menschen auf Facebook sind und es ist nicht so, dass die dort alle verrückt oder betrunken sind. Wir wollen miteinander in Verbindung stehen, wir sind sozial. Mark Zuckberberg sagte mir, er ändert nicht die menschliche Natur, sondern ermöglicht sie.· Öffentlichkeit, Offenheit und Transparenz Rasse Vertrauen, vor allem in Politik und Wirtschaft. - Öffentlichsein, Offenheit und Transparenz lassen Vertrauen entstehen - insbesondere in Politik und Wirtschaft.

- Öffentlichsein ermöglicht Zusammenarbeit, die wiederum stärkere Regierungen und Unternehmen ermöglichen. - Öffentlichsein entfesselt die Weisheit der Vielen. Siehe Wikipedia. - Öffentlichsein entwaffnet das Fremde und auch die Stigmatisierung. Die mächtigste Waffe, die Homosexuelle hatten, um sich gegen Schranken und Vorurteile zu wehren, war das Schlagen eben dieser. Niemand sollte in die Öffentlichkeit gezerrt werden, aber die die den Mut hatten sich in die Öffentlichkeit zu begeben, haben viel für andere bewirkt.

Ich habe davon profitiert, öffentlich über meine Krebserkrankung und meine Störungen im Penis zu sprechen. Das mag im Zeitalter der Privatsphäre wahnsinnig erscheinen, das aller Privateste zu veröffentlichen. Aber ich zog viele Vorteile daraus: Unterstützung, Informationen und die Möglichkeit, andere Menschen zu inspirieren, getestet zu werden.

Ich würde uns drängen, über das Gute nachzudenken, wenn wir alle etwas öffentlicher wären - auch bei unserer Gesundheit: die gemeinsame Nutzung von Daten; das Entdecken von Zusammenhänge, die Leben retten oder heilen können, die gegenseitige Unterstützung. Warum sind wir nicht so offen? In den USA haben wir Angst vor dem Verlust der Versicherung. Sie haben nicht das Problem. Wir befürchten Verlust von Arbeitsplätzen, aber das kann mit gesetzgeberischen Mitteln behandelt werden. Was hält uns wirklich davon abhält, über Krankheiten zu sprechen, ist das Stigma einer Krankheit, aber das ist ein gesellschaftliches Problem. Warum sollte sich in einer modernen Gesellschaft jemand schämen, krank zu sein? Das ist etwas, was wir neu anpassen sollten.

Wohlgemerkt, Technologie und Öffentlichkeit kann für beides genutzt werden: Gutes und Schlechtes. Online Crowdsourcing von Fotos verwendet die iranische Polizei, um Demonstranten zu identifizieren, es wird aber auch von ägyptischen Freiheitskämpfer verwendet, um die Sicherheitskräfte zu identifizieren und vor Gericht zu bringen. Die Technologie gibt uns die Wahl.

Das ist das wirkliche Problem der Privatsphäre: Beibehaltung der Möglichkeiten. Es ist auch die Frage von Öffentlichkeit: Schützen wir unsere Entscheidungsmöglichkeiten.

Ich mache mir Sorgen über unser Instrument der Öffentlichkeit, das Netz. Ich habe Sorgen, dass sein Potenzial eingeschränkt wird - aus berechtigter Angst vor der Technologie oder um eigene Besitzstände zu wahren. Wer wird dieses großartige Instrument der Öffentlichkeit schützen? Können das Unternehmen? Nein, das ist nicht ihr Job. Regierungen? Nein, geben wir einer Regierung die Macht darüber, werden das alle für sich beanspruchen - auch Tyrannen und Diktatoren. Regierungen können die größten Beschützer der Privatsphäre sein, aber auch genau das Gegenteil.

Prinzipien einer neuen Öffentlichkeit

Nein, wir Netz-Menschen müssen das Netz und die Öffentlichkeit und ihre Möglichkeiten schützen. Um das zu tun, glaube ich, müssen wir eine Diskussion über die Grundsätze unserer neuen öffentlichen Gesellschaft führen. Die deutsche Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger schrieb in der Frankfurter Allgemeine Zeitung: "Die digitale Welt braucht nicht in erster Linie neue Gesetze, sie braucht universelle digitale Werte. Die Internet-Community muss das diskutieren." Damit bin ich einverstanden. Also hier sind Prinzipien, die ich empfehle. Wir werden uns nie alle darauf einigen, aber wir müssen darüber diskutieren:

- Erstens, haben wir ein Recht uns zu verbinden. Wenn die Verbindung zum Netz durch Mubarak in Ägypten oder von einem Piraterie-Gesetz in Frankreich oder den USA abgeschnitten ist, dann ist die Verbindung zur Welt durchtrennt worden und das ist eine Verletzung der Menschenrechte. Können wir uns darauf einigen?

- Das Recht zur Verbindung ist im Prinzip die Präambel zu einem Grundgesetz: der Redefreiheit. - Und von diesem Recht folgt das nächste: das Recht sich zu versammeln und zu agieren. Siehe # OccupyWallStreet und die Schaffung neuer Öffentlichkeiten um eine Idee. - Weiter glaube ich, sollten wir Privatsphäre so begreifen: als ein Akt des Wissens einer Information von einer anderen Person und dem verantwortungsvollen Umgang damit. Dies bringt viele Anforderungen: es geht nicht ums Stehlen, es geht um das offene Sammeln, um das Verstehen des Kontextes, um das sichere Verwahren von Informationen und ein Zugang dazu. - Öffentlichkeit braucht eine Ethik des Teilens. Wenn Sie etwas wissen, was anderen helfen kann, warum teilen Sie ihr Wissen nicht? - Weiter: Unsere institutionalisierten Informationen, also keine persönlichen Daten, aber die von Unternehmen und Regierungen. Die sollten standardmäßig transparent sein und nur in Ausnahmefällen geheim. Heute ist es umgekehrt.

- Ich glaube, dass das, was der Öffentlichkeit ist ein öffentliches Gut ist, und wenn das jemand beschneiden will, wie beim Verpixelungsrecht, dann verliert die Öffentlichkeit etwas. - Weiter: Alle Bits sind gleich. Ist ein Bit gestoppt oder umgeleitet, ob der Iran Teile des Netzes sperrt oder China, dann kann nichts als frei im Netz angesehen werden. - Schließlich muss das Internet offen bleiben und verteilungsfähig. Niemand kann die Souveränität darüber gewinnen. Ich fordere einen hippokratischen Eid für das Netz: Erstens, ich schade dem Netz nicht. Ich sage dies in einem land, dass uns das bisher größte Instrument von Öffentlichkeit gegeben hat: die Gutenberg Druckerpresse. Gutenberg war, glaube ich, unsere erster Technologieunternehmer. Er ist unglaublich schwierige technische Probleme angegangen: Metallurgie, Papier und Tinte, die Massenproduktion, und vieles mehr. Er experimentierte in der Öffentlichkeit. Das Endprodukt, die Bibel zeigte den Perfektionismus eines Steve Jobs. Leider verlor er sein Geschäft, als er bereit war, seine Bibeln zu verkaufen. Er stand vor der gleichen geschäftlichen Herausforderungen, wie im Silicon Valley heute Start-Ups. Dann wandte sich Gutenberg vom geheimnisvollen zum öffentlichen, er verbreitete sein Wissen. War Gutenberg am Ende ein öffentlicher Versager? Als Geschäftsmann, vielleicht. Aber nur wenige Distributoren haben die Welt mehr verändert.

Ich fordere Sie auf, sich an den Geist Gutenbergs zu erinnern und unser nächstes Instrument der Öffentlichkeit, das Netz, zu pflegen. Wir sollten bereit sein, öffentlicher zu leben, zu arbeiten und zu regieren; wir sollten die Vorteile der Verbindung mit anderen ernten.

Vielen Dank."

Übersetzung: Christian Tretbar

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