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Vor einem Jahr waren Olaf Glaeseker und Christian Wulff noch unzertrennlich und hätten sicherlich erklärt, sie seien Freunde. Jetzt sehen sie sich wohl bald vor Gericht wieder.

© dapd

Klüngel, Seilschaften, Macht: Politik kennt keine Freunde

Politiker sprechen gerne von ihren Freunden. Doch Schlagzeilen machen politische Freundschaften in der Regel vor allem dann, wenn die einstigen Gefährten öffentlich miteinander abrechnen. Es gibt einen Grund, warum die Politik nur Klüngel, Seilschaften und Netzwerke hervorgebracht hat.

Peer Steinbrück und Torsten Albig sind Freunde. Dachte man zumindest. Viele Jahre galten die beiden als unzertrennlich. Seinen Ruf als „Mr. Euro“ und aussichtsreicher SPD-Kanzlerkandidat verdankt der Ex-Bundesfinanzminister zu einem großen Teil seinem langjährigen Sprecher. Vor ein paar Jahren startete Albig seine eigene politische Karriere. Er wurde erst Oberbürgermeister in Kiel, schließlich im Frühjahr Ministerpräsident von Schleswig-Holstein. Im erfolgreichen Wahlkampf konnte sich Albig auf den unermüdlichen Einsatz und die uneingeschränkte Loyalität von Peer Steinbrück verlassen.

Wenn die beiden tatsächlich jemals Freunde waren, dann sind Steinbrück und Albig es seit einer Woche vermutlich nicht mehr. Denn in einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (FAS) hatte sich der Ministerpräsident nicht nur für Frank-Walter Steinmeier als SPD-Kanzlerkandidaten ausgesprochen. Zugleich legte er Peer Steinbrück mit dem vergifteten freundschaftlichen Rat („Tu dir das nicht an!“) den Rückzug aus dem Kandidatenduell nahe. Steinbrück war stinksauer, in der SPD macht seitdem das Wort vom „Vatermord“ die Runde und wieder einmal stellt sich die Frage: Kann es in der Politik Freunde geben? Oder schließen sich Freundschaft und das Streben nach Macht, schließen sich eine emotionale persönliche Bindung und die von Interessen geprägten politischen Beziehungen gegenseitig aus? Hört Freundschaft da auf, wo Politik beginnt?

Von Freunden ist in der Politik häufig die Rede. Helmut Kohl zum Beispiel nannte den letzten Sowjet-Führer Michail Gorbatschow seinen „Freund“, die amerikanische Außenministerin Madeleine Albright ihren grünen deutschen Amtskollegen Joschka Fischer einen „wirklich guten Freund“. Doch tatsächlich ging es nur darum, im Geflecht internationaler Beziehungen gegenseitig Respekt zu bekunden und Interessenkoalitionen zu schmieden.

Die noch nicht so mächtigen versuchen, mit dem Ritterschlag „Freund“ politische Mitstreiter um sich zu scharen. Zudem dient der Begriff in der Sphäre der Macht dazu, die Welt in Freund und Feind zu teilen. Dem Bundespräsidenten Christian Wulff schließlich wurden seine reichen Freunde zum Verhängnis. Irgendwann konnte der CDU-Politiker nicht mehr erkennen, welche Freundschaftsdienste nur der Anbiederung an die Macht, der Anbahnung von Geschäften oder dem persönlichen Vorteil dienten. Die Öffentlichkeit war empört, Wulffs politische Karriere zu Ende. Inzwischen streitet sich der Ex-Bundespräsident öffentlich mit seinem Ex-Sprecher Olaf Glaeseker darüber, wer wann was über welche Gefälligkeit gewusst hat. Vor einem Jahr waren die beiden noch unzertrennlich und hätten sicherlich erklärt, sie seien Freunde.

Die Liste der gescheiterten Freundschaften in der Politik ist lang.

So gerne Politiker jedoch von Freunden reden, so klar wird er von den Menschen der privaten Sphäre zugeordnet. Zwar wird der Begriff im Facebook-Zeitalter auch dort mittlerweile geradezu inflationär verwendet. Trotzdem gilt im Allgemeinen als wahre persönliche Freundschaft eine freiwillige und gleichberechtigte Beziehung, die auf Offenheit, Aufrichtigkeit und vor allem in Krisensituationen auf Vertrauen und gegenseitiger Unterstützung basiert. Schon der griechische Philosoph Aristoteles wusste, „ohne Freundschaft möchte niemand leben, hätte er auch sonst alle Güter“. In der modernen Welt, in der Ehe und Familie immer mehr an Bedeutung verlieren, werden Freundschaften zugleich immer wichtiger. Sie entstehen in gemeinsamen Lebensabschnitten, zum Beispiel in der Schule, in der Ausbildung oder im Beruf. Ziel von Freundschaften ist es, sich gegenseitig zu stärken, gemeinsam zu handeln und zusammenzuhalten. Auch in der Politik entstehen natürlich Freundschaften, vor allem unter Nachwuchspolitikern, die ihre politische Karriere noch vor sich haben. Dort schmiedet zusätzlich die gemeinsame politische Gesinnung die Freunde zusammen.

Doch irgendwann geraten die Freundschaftsbeziehungen in Konflikt mit den hierarchischen Machtbeziehungen und dann kann es schnell vorbei sein, mit der Freundschaft. Kein Wunder also, dass die Liste der gescheiterten Freundschaften in der Politik lang ist. Allein in den vergangenen Monaten machten zum Beispiel die zerrütteten persönlichen Beziehungen zwischen den FDP-Politikern Philipp Rösler und Christian Lindner, zwischen dem Christdemokraten Norbert Röttgen und Armin Laschet sowie zwischen den Linken-Politikern Oskar Lafontaine und Gregor Gysi Schlagzeilen. Die Steigerungsformel Freund, Feind, Parteifreund ist in allen politischen Lagern zuhause.

Bildergalerie: Politiker - nicht die besten Freunde

Natürlich braucht jeder Politiker Menschen um sich, denen er vertrauen und mit denen er offen diskutieren kann. Niemand in der Politik kommt ohne enge persönliche Berater und Mitstreiter aus. Doch die Gunst der Macht wird gewährt und sie auch wieder entzogen, gleichberechtigt und gegenseitig ist diese nicht. Gleichzeitig funktioniert die Politik insgesamt nicht ohne persönliche Beziehungen und ohne menschliche Zuneigungen. Sie lebt vielmehr geradezu von vielen den informellen und auch persönlichen Kontakten über Fraktions-, Partei- und Lagergrenzen hinweg. Viele politische Kompromisse werden schließlich nicht im Parlament oder im Ausschuss gefunden, sondern beim Bier oder gemeinsamen Essen. Nur handelt es sich in der Regel nicht um Freundschaften, auch wenn Politiker gerne davon sprechen, sondern um Vorteils-, Interessen- und Karrierekoalitionen. Nicht umsonst hat die Politik den Klüngel und die Seilschaften, Netzwerke und Vetternwirtschaft hervorgebracht.

Doch irgendwann im Politikerleben lassen sich die persönlichen politischen Interessen nicht mehr mit der Freundschaft in Einklang bringen, der Vorteil des einen wird dann zum Nachteil des anderen. Oder der Freund steht der eigenen politischen Karriere im Wege. Es kommt zum Bruch und dann waren Norbert Röttgen und Armin Laschet die längste Zeit Freunde, dann reden Christian Lindner und Philipp Rösler nicht mehr miteinander und vielleicht treffen sich Christian Wulff und Olaf Glaeseker sogar vor Gericht. Und irgendwie geht es in der Politik dann doch so zu wie im richtigen Leben.

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