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Der bevorstehende Mannschaftswechsel des Borussia-Spielers Mario Götze sorgte diese Woche für Wirbel. Ab Sommer wird das Fußballtalent für den FC Bayern München spielen.

© dpa

Kolumne "Ich habe verstanden": Im Zweifel für den Fußball

Fußball war das große Thema der Woche. Aber anders als sonst drehten sich die Geschichten nicht wirklich um die eigentlichen Spiele, sondern um die aufreibenden Ereignisse drum herum.

Fußball? Ach, herrje – schwieriges Thema, sollte man eigentlich generell die Finger von lassen und im Moment so wieso. Macht man nur Fehler. Verärgert die Leser. Hat jeder eine andere Meinung zu, meistens natürlich bessere.

Trotzdem. Warum? Weil der Fußball diese Woche geprägt hat, wie er das nur während einer Welt- oder Europameisterschaft kann, aber dieses Mal waren es vor allem Geschichten, die der Fußball erzählt hat – und die mit dem eigentlichen Spiel nichts zu tun hatten. Da ist zum einen die Aufstiegsgeschichte der Hertha, die viel mit dem Trainer zu tun hat und viel mit dem Wort „Demut“, das man in Bezug auf den Fußball eigentlich nie hört; da ist natürlich die Geschichte über den „Fall des Uli Hoeneß“, von der man noch nicht abschließen sagen kann, ob es sich dabei um eine Tragödie, ein Drama, einen Krimi oder um ein Schurkenstück handelt; und da ist der angekündigte Wechsel von Mario Götze von Borussia Dortmund zu Bayern München – eine Katastrophengeschichte. Aber diese Geschichten waren dann eben alle nicht so gut wie die 90 Minuten von München am Dienstag und die 90 Minuten von Dortmund am Mittwoch, und selbst, wer Fußball nicht mag und die beiden Spiele gesehen hat, konnte sich dem, was da stattfand, nicht entziehen – eben weil diese beiden Spiele, diese beiden Geschichten, besser waren als alles andere, was diese Woche um den Fußball herum so alles stattfand. Und doch man kann all jene verstehen, die auch am Ende dieser Woche sagen: „Geh mir weg mit dem Fußball! Es gibt Dinge auf der Welt, die wichtiger sind!“ Und man kann all jenen auch tatsächlich nur Recht geben, aber die Sache mit dem Fußball, die Sache mit dem Verein, dessen Fan man wird – das funktioniert halt wie die Sache mit der ersten Liebe, die man auch nur einmal erlebt. Wenn man Glück hat. Und in diesem Land haben sich seit 50 Jahren sehr viele Menschen verliebt und es werden sich auch weiterhin immer Menschen verlieben, und das liegt nicht an den Geschichten drum herum, sondern an den wahren Geschichten, den Spielen.

Wie dieses eine Spiel, das am kommenden Montag vor genau 15 Jahren stattfand: Am 29. April 1998 spielte Schalke 04 zu Hause gegen den 1.FC Köln. Köln musste mindestens einen Punkt machen, besser noch gewinnen, der Abstieg drohte. Bis kurz vor Schluss stand es 0:0, Köln drängte, war besser. In der 79. Minute schoss der Kölner René Tretschok von der Strafraumgrenze aufs Tor – und der Ball wäre reingegangen, wenn nicht der Schalker Oliver Held seine Hand benutzt hätte. Jeder sah das. Das ganze Stadion sah das – nur nicht Schiedsrichter Kemmling. Nach Protesten der Kölner befragte der Schiedsrichter den Schalker Spieler, der angab, den Ball mit dem Kopf gespielt zu haben. Kein Elfmeter, keine rote Karte, stattdessen schoss Schalke ein Tor. Köln stieg ab. Nach dem Spiel sagte Oliver Held in einem Fernseh-Interview kund, der Schiedsrichter hätte ihn zu der Szene nicht befragt. Der Schiedsrichter hingegen sagte, Held hätte „geschworen“, den Ball mit dem Kopf gespielt zu haben. Und dann sagte der Kölner Stürmer Toni Polster diesen einen, unfassbaren Satz, der ein Fluch wurde, der bis heute gilt: „Sein ganzes Leben lang soll er kein Glück mehr haben.“ Polster meinte Held, aber der Fluch traf Schalke, die drei Jahre später für vier Minuten dachten, sie wären Deutscher Meister, bis Bayern München gegen den HSV...

Große Geschichte. Wahre Geschichte. Deshalb im Zweifel: immer für den Fußball.

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