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Matthias Kalle.

© Privat

Kolumne "Ich habe verstanden": Warum Hitler-Vergleiche nie funktionieren

Andreas Köhler von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung hat Angela Merkel in einem Atemzug mit Adolf Hitler genannt. Solche Vergleiche gehen immer nach hinten los, meint Matthias Kalle - selbst wenn sie ironisch gemeint sind.

Unter den Kolumnisten in diesem Land bin ich ja so was wie Borussia Dortmund: Überzeugend immer da, wo es keiner vermutet, aber die vermeintlich leichten Siege – die schenke ich hier, weil ich sie nicht will, weil es mir zu popelig ist. Und so, wie ich nicht über die Deutsche Bahn schreibe, schreibe ich heute, HEUTE!, mit Sicherheit nicht über den Weltuntergang und diesen Maya-Kalender – wie albern wäre das denn? Sie lesen doch gerade diesen Text, oder? Dann sind sie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch noch am Leben und die Welt ist nicht untergegangen.

Eine dem Weltuntergang nahe kommende Veranstaltung muss wohl die Weihnachtsfeier der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) sein. Das ist natürlich nur eine Vermutung, denn ich war auch nicht auf dieser Weihnachtsfeier, und alles, was ich darüber weiß, habe ich in seriösen Medien nachgelesen. Da stand nämlich, dass der KBV-Chef Andreas Köhler bei seiner Rede folgendes gesagt haben soll: „Julius Cäsar, Karl der Große, Napoleon, Adolf Hitler, Angela Merkel - die Liste der Staatsleute, die versuchten, Europa zu einigen, ist sehr lang. Und stets scheiterten die Bemühungen an Folgendem: Niemand kann sich vorstellen, zusammen in ein und demselben Haus Europa zu wohnen.“

Ich bin kein Historiker, aber ich bin mir sicher, dass an diesem Satz alles falsch ist. Die „Welt“ (die Tageszeitung, nicht das Ding, das angeblich untergeht) titelte am Donnerstag: „Ärztechef stellt Merkel in eine Reihe mit Hitler“, Köhler erwiderte daraufhin, es sei auf der Feier am vorvergangenen Dienstag mit rund 300 Gästen in Berlin nie „Sinn und Zweck gewesen, Frau Merkel auf eine Stufe mit Adolf Hitler zu stellen.“ Seine Ansprache habe sich „in ironischer Weise mit einem Vergleich der Dezernate der KBV mit europäischen Ländern“ beschäftigt. Die Rede sei „überhaupt nicht politisch ausgerichtet gewesen. Offenbar - und das zu meinem großen Bedauern - ist die Ironie nicht von allen verstanden worden.“

Ich bin kein Ironiker, aber ich bin mir sicher, dass selbst Fachleute Schwierigkeiten haben werden, in diesem Satz auch nur den Anflug von Ironie zu entdecken. Und wenn der Mann in seiner Rede tatsächlich versucht haben will, die Dezernate der KBV mit europäischen Ländern zu vergleichen, kann ich mir kaum vorstellen, dass er als Stimmungskanone gilt, als einer, der die guten Gags reihenweise nur so raushaut.

Ich bin kein Statistiker, aber ich meine mich zu erinnern, dass noch kein einziger Hitler-Vergleich der publik geworden ist, berechtigt war oder auch nur funktioniert hat. Erst im Sommer hat ein britisches Magazin Merkel mit Hitler verglichen, Hugo Chavez hat das auch schon mal hingekriegt. In der Vergangenheit wurden außerdem noch George W. Bush mit Hitler verglichen (von Herta Däubler-Gmelin), Hollywood-Regisseur Michael Bay (von Megan Fox) und Fußballtrainer Louis van Gaal (von einem rumänischen Magazin).

Ich bin kein Ethiker, aber ich finde diesen Vergleich nicht richtig. Ich finde allerdings, und das aus Überzeugung, dass man nicht mit Kanonen auf Spatzen schießt: Maximaler Einsatz – minimale Wirkung? Das ist nicht mein Motto. Ich glaube: Umgekehrt wird ein Schuh draus. Oder?

Welcher Kolumnist ist noch mal gleich Bayern München?

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