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Unbemanntes Fluggerät. Das Drohnenprojekt "Euro Hawk" ist in Deutschland gescheitert. Zusammen mit Frankreich könnte die Bundesrepublik nun noch einmal mit vereinten Ressourcen ein europäisches Drohnenprogramm starten.

© dpa

Kolumne "Kurz gesagt": Aufklärung durch europäische Drohnen

Nach der Euro-Hawk-Pleite ist es Zeit für ein europäisches Drohnenprogramm. Die Initiative könnte von Deutschland und Frankreich ausgehen, um endlich einen sichtbaren Schritt zu tun, die unbemannten Fluggeräte auch in Europa zu etablieren.

Die Ereignisse um den "Euro Hawk" vermitteln den Eindruck, als sei Europa nicht in der Lage, ein Drohnenprogramm erfolgreich abzuschließen. Der französische Verteidigungsminister, Jean-Yves Le Drian, brachte es auf den Punkt, als er feststellte, dass Europa seit zehn Jahren nicht die Kurve gekriegt hat, jene unbemannten Fluggeräte zu bauen, die traditionell mit Aufklärungstechnik und künftig wohl zunehmend auch mit Waffen ausgestattet werden. Zwar produzieren europäische Unternehmen ein Sammelsurium kleinster Drohnen, aber bei den großen, hochfliegenden Drohnen wie dem "Euro Hawk" (HALE) und den mittelhochfliegenden MALE–Drohnen ist Europa vollends von anderen abhängig.

Dass europäische Staaten bisher keine größeren Drohnen produzieren, liegt vor allem daran, dass sie zu lange auf nationale Entwicklungen gesetzt haben, aber allein jeweils nicht genug Geld auf den Tisch legen konnten, um diese zum Erfolg zu führen. Auch Versuche, binational voranzugehen, sind bislang ohne Erfolg geblieben.

Für Deutschland und Frankreich bietet sich jetzt die Möglichkeit, ein gemeinsames europäisches Drohnenprogramm anzustoßen. Zwar werden die nationalen Debatten in beiden Ländern unter unterschiedlichen Vorzeichen geführt. Bei den Kaufentscheidungen aber befinden sie sich an ähnlichen Punkten. Zudem könnten Paris und Berlin mit einer gemeinsamen europäischen Initiative endlich einen sichtbaren Schritt tun, um die gemeinsame Absichtserklärung vom September 2012 umzusetzen, in der die Beschaffung solcher Drohnen als erforderlich bezeichnet wurde.

In Deutschland werden die Karten neu gemischt: die Regierung ist bei der Beschaffung der HALE-Drohne "Euro Hawk" gescheitert und hat die Beschaffung von MALE-Drohnen auf die Zeit nach der Bundestagswahl verschoben. Dabei hat sie eine Präferenz für das US-System Reaper. Gleichzeitig erhofft sich Deutschland, dass die europäischen Länder so schnell wie möglich ein MALE-Drohnenprogramm in die Wege leiten, das in erster Linie der Verbesserung der eigenen Aufklärungsfähigkeiten dienen soll. Weil Frankreich für seine Mali-Operation dringend Luftaufklärung benötigte, schaffte es zwei amerikanische Reaper-Drohnen an und sicherte sich die Option, fünf weitere zu kaufen. Aber auch in Paris sieht man dringenden Bedarf, die Lücke militärischer und industrieller Fähigkeiten europäisch zu füllen. Bislang teilen Israelis und Amerikaner den Absatzmarkt für größere Drohnen unter sich auf.

Schluss mit Technologie "von der Stange"

Nationale Käufe vor allem von US-Technologie "von der Stange" waren bislang opportun, auch weil viele den europäischen Markt für zu klein und ein Entwicklungsprogramm für zu kostspielig hielten. Doch eine solche Argumentation vernachlässigt wichtige Aspekte:

Unbemannte Fluggeräte sind eine Schlüsseltechnologie mit doppeltem Verwendungszweck, die ein neues Entwicklungspotential für die europäische Luft- und Raumfahrtindustrie sowohl auf ziviler als auch auf militärischer Ebene bietet. Wer die Technologien und den Zusammenbau solch komplexer Systeme beherrscht, dem eröffnet sich nicht nur der europäische, sondern auch der weltweite Markt, auf dem die Nachfrage stetig steigt. Eigene Drohnen unterstützen darüber hinaus die Unabhängigkeit der Streitkräfte bei Operationen. Das neue französische Weißbuch hält Drohnen gar für unabdingbar, um selbst Situationen zu bewerten - unabhängig vor allem von US-Aufklärungssatelliten. Das Beispiel des "Euro Hawks" zeigte jüngst, dass Europa diese Unabhängigkeit nicht besitzt. Eine Zulassung war nicht zustande gekommen, weil die außerhalb Europas beschaffte Technik nicht geöffnet und damit nicht beurteilt oder an die eigenen Bedürfnisse angepasst werden konnte. Neben der Unabhängigkeit würde ein gemeinsames europäisches Programm durch die Produktion größerer Stückzahlen Kostenvorteile bringen. Zudem könnten einheitliche Geräte auch gemeinsam betrieben und Ersatzzeile untereinander ausgetauscht werden.

Zweigleisige Umsetzung eines europäischen Drohnenprogramms

Es gibt also triftige Gründe, die für ein europäisches Drohnenprogramm sprechen. Seine Umsetzung sollte zweigleisig erfolgen:

Zum einen sollten jene europäischen Staaten, die schon MALE-Drohnen besitzen oder zeitnah beschaffen wollen, vor allem Frankreich, Deutschland, Großbritannien und Italien, ihre vorhandenen Kapazitäten in einem gemeinsamen Pool für europäische Aufklärungsfähigkeiten zusammenfassen. Um eine europäische Lösung nicht zu unterlaufen, sollten sie sich verpflichten, aus ihren vorläufigen Lösungen keine permanenten zu machen. Sie könnten gemeinsame Wartungsverträge für ihre Aufklärungsdrohnen US-amerikanischer und israelischer Bauart verhandeln und vorübergehend zusätzliche Drohnen für konkrete Einsätze leihen. Für HALE-Drohnen, also die hochfliegenden Aufklärungskapazitäten, könnten normale, bemannte Flugzeuge als Alternative dienen.

Gleichzeitig sollten Deutschland und Frankreich anregen, dass diese Länder sofort ein europäisches MALE-Aufklärungsdrohnenprogramm lancieren. Ziel sollte es sein, bis 2025 den Prototypen einer autonomen europäischen Kapazität zu entwickeln. Um unterschiedliche Sensibilitäten zu berücksichtigen, sollte die Bewaffnung technisch vorgesehen werden, aber in der politischen Entscheidung jedes einzelnen Landes liegen.

Die Ankündigung eines solchen Programms könnte beim Europäischen Verteidigungsgipfel im Dezember zum Meilenstein werden. Sie würde vom ernsthaften Willen der Europäer zeugen, eine wichtige Lücke in ihren militärischen Kapazitäten zu schließen. Nachdem sich kürzlich nun auch namhafte Luftfahrtindustriekonzerne zur Stärkung der europäischen militärischen und industriellen Kapazitäten bekannt haben, sollte man annehmen, dass dem Erfolg eines europäischen Drohnenprogramms nichts mehr im Wege steht.

Jean-Pierre Maulny ist stellvertretender Direktor des Pariser "Institut de Relation Internationales et Strategiques" (IRIS). Christian Mölling ist Wissenschaftler bei der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP). Beide forschen u.a. zu europäischen Rüstungsindustrien sowie zu europäischer Verteidigungspolitik. Die Stiftung berät Bundestag und Bundesregierung in allen Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik. Der Artikel erscheint auf der SWP-Homepage in der Rubrik Kurz gesagt.

Jean-Pierre Maulny, Christian Mölling

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