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CDU-Bundesausschuss in Berlin mit Bundeskanzlerin Angela Merkel.

© dpa

Kritik am Koalitionsvertrag: Der brave Aufstand der Karrieristen

In abgewogenen Worten kritisieren junge Christdemokraten den Koalitionsvertrag, doch was als Kritik an Merkels Politikstil daherkommt, ist in Wirklichkeit eine Geste der Unterwerfung.

Ein paar Mal werden wir noch wach, heißa dann bekommen wir eine neue Regierung. Hat ja mit der Großen Koalition auch lange genug gedauert. Erst wurde Mutti Merkel gefeiert. Dann musste die CDU mit den Grünen flirten. Anschließend tagten die Abgesandten von CDU, CSU und SPD wochenlang in ZK-Stärke, um rund um die Begriffe Mindestlohn, Mütterente und PKW-Maut einen 185seitigen Koalitionsvertrag zu formulieren. Schließlich muss die SPD nun auch noch ihre Basis befragen.

Panik vor dem Torschuss

Kurz vor Toreschluss hat jetzt ein paar junge Christdemokraten die Panik erfasst. Sie fordern mehr Mitwirkungsmöglichkeiten für die Parteibasis und plädieren für eine Öffnung ihrer Partei zu den Grünen. Sie kritisieren die Rentenpläne der Großen Koalition und treten dafür ein, die Rentenversicherungsbeiträge, wie vorgesehen, zum Jahresende zu senken. „Statt Sozialleistungen auszubauen, gilt es vor allem in Bildung, Forschung, Vorsorge und Infrastruktur zu investieren,“ heißt es in dem am Sonntag veröffentlichen Manifest. Doch mehr als eine Böe im Wasserglas ist die Wortmeldung nicht. Bei einem kleinen Parteitag an diesem Montag in Berlin werden auch die jungen CDU-Politiker den Koalitionsvertrag brav abnicken. 

Gründe für einen Aufstand an der christdemokratischen Basis, und für einen Aufbruch gäbe es genug. CDU und CSU haben zwar recht souverän die Bundestagswahl gewonnen. Doch diesen Wahlerfolg verdankt die Union einzig einer Person: Angela Merkel. Viele Wähler haben nicht CDU gewählt, sondern die Kanzlerin. Sie vertrauen darauf, dass sie das Land angesichts der Eurokrise weiterhin gut regiert und vor allem alle Versuche von Griechenland und Italien sowie von SPD und Grünen abwehrt, den Deutschen in die Kasse zu greifen.

CDU hat Schaden genommen

Doch der Triumph der Kanzlerin überdeckt die großen strukturellen Probleme der Christdemokraten. In den acht Merkel-Jahren hat die Marke CDU Schaden genommen, die Partei ist orientierungslos und profillos, der konservative Parteiflügel frustriert. Angela Merkel hat die CDU ihrer ganz persönlichen Machtlogik unterworfen, sie hat verstanden, dass moderne Parteien programmatisch flexibel sein müssen und alte Meriten wenig zählen. Aber diese Logik hat ihren Preis. Die FDP liegt im Sterben. Mit der AfD könnte am rechten Rand des Parteienspektrums für die CDU unliebsame Konkurrenz entstehen. Die schwarz-grüne Annäherung steckt noch in den Kinderschuhen.

Die CDU hat kein Konzept

Auch in den Ländern sieht die Lage der Partei alles andere als rosig aus, nur noch in fünf Bundesländern stellt die CDU den Ministerpräsidenten. Eine Trendwende ist nicht in Sicht. Der Bundesrat ist fest in rot-rot-grüner Hand. Und bei der Frage, wer in ein paar Jahren Angela Merkel als Bundeskanzlerin ablösen könne, blickt man in ziemlich viele ratlose christdemokratische Gesichter. Nichts hat die inhaltliche Leere der CDU und ihren personellen Notstand mehr symbolisiert, als ihr erfolgreiches Wahlkampf-Signet, die Merkelraute.

SPD bläst die Backen auf

Schon während der Koalitionsverhandlungen hat sich gezeigt, die CDU weiß nicht, was sie mit der Macht anfangen soll. Sie hat kein Zukunftskonzept, sorgt sich vor allem um die überalterte Basis und betreibt Haushaltskonsolidierung als Selbstzweck. Sie plündert die Rentenkassen, weil sie Steuererhöhungen im Wahlkampf ausgeschlossen hat und investiert viel zu wenig in Bildung, Forschung sowie Infrastruktur. Derweil bestimmte der Wahlverlierer die zentralen Themen in den Koalitionsverhandlungen: Mindestlohn, Rente mit 63, Doppelte Staatsbürgerschaft. Die kleine SPD blies die Backen auf und zeigt der großen CDU zugleich eine lange Nase: wir können auch Rot-Rot-Grün. Denkt man also an die Zukunft der CDU, kann einem also schon Angst und Bange werden.

Doch die jungen CDU-Politiker, die sich am Wochenende zu Wort gemeldet haben, springen viel zu kurz. Sie fordern zwar eine Agenda 2020, in der es darum gehen müsse, „die Digitalisierung aller Lebensbereiche als Herausforderung, aber auch als wirtschaftliche Chance zu begreifen, hunderttausenden Menschen in Deutschland ohne Berufsabschluss eine Chance zu geben und Vorsorge für die Alterung der Gesellschaft zu treiben.“ Aber die jungen Christdemokraten brauchen sieben Spiegelstriche christdemokratische Schönrederei und viele Lobeshymnen für die Kanzlerin, um achtens in recht abgewogenen Worten ganz vorsichtig ihre Kritik zu formulieren. Zukunft wagen auch sie nicht.

Sie unternehmen nicht einmal den Versuch, so zu tun, als ginge es ihnen um das Land und nicht um die Partei. Für einen Bruch mit der Merkel‘schen Machtlogik fehlt ihnen der Mut. Stattdessen verrät der Titel ihres Manifestes „Heute die richtigen Entscheidungen für 2017 treffen“, was sie eigentlich antreibt: die pure Angst vor dem Machtverlust und Sorge um die eigenen Karrierechancen. Vor allem der Wortführer Jens Spahn erweckt den Eindruck, als habe er sich zum braven Aufstand erst entschlossen, nachdem ihm eines klar geworden war: Gesundheitsminsiter der Großen Koalition werde ich nicht. Folgerichtig heißt es bei den Nachwuchspolitikern: „Für einen anhaltenden Erfolg der CDU ist es zudem auch wichtig, dass junge Köpfe in Partei und Fraktion an verantwortlicher Stelle Profil gewinnen und Themen für die Union besetzen.“ Dann ist ja alles gut, Mutti wird es richten.

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