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Re-Kommunalisierung von Strom ist auch in Berlin ein Thema.

© dpa / picture alliance

Landeseigene Stromanbieter: Vorsicht, Stadtwerke!

Berlin will eine eigene Netzgesellschaft gründen und in die Produktion von Öko-Strom einsteigen. Das klingt gut und ist Mainstream in Deutschland. Doch Stadtwerke in kommunaler Hand bergen auch Risiken - gerade in einer Stadt wie Berlin.

Auch Berlin will eigene Stadtwerke gründen. Die Pläne klingen gut durchdacht und bescheiden. Doch ein Blick in andere Regionen zeigt, was auf die Berliner in Zukunft zukommen könnte.

Berlin will eine eigene Netzgesellschaft gründen und in die Produktion von Öko-Strom einsteigen. Damit liegt Berlin im Trend: In ganz Deutschland werden seit Jahren neue Stadtwerke gegründet. Zwei Ziele werden dabei meist genannt: Die Beschleunigung der Energiewende durch den Ausbau erneuerbarer Energien und der Regionalisierung der Energieerzeugung sowie die Erhöhung der Einnahmen der Stadt. Das Stadtwerk Hamburg Energie, Berlins Vorbild, wirbt damit, dass die Gewinne zu 100 Prozent an die Stadt gehen. Mit der Stromrechnung Kindergärten und Stadtbüchereien zu finanzieren anstatt die Gewinne von Aktionären, scheint viele Bürger in Hamburg überzeugt zu haben: Im Frühjahr dieses Jahres wurden 80.000 Kunden mit Öko-Strom und 10.000 mit Gas beliefert.

Wer die Berliner Politik in den vergangenen Jahrzehnten beobachtet hat, kann allerdings Zweifel bekommen, dass sich Berlin an Hamburg orientieren wird und nicht an einem anderen Ballungsgebiet, das über eine ausgeprägte Tradition kommunaler Unternehmen verfügt: Dem Ruhrgebiet.

In den vergangenen zehn Jahren sind die Stadtwerke des Ruhrgebiets stark gewachsen. Aus den drögen Händlern, die dem Strom von RWE oder Eon nur ihr Markenzeichen verpassten und es an die Bürger verkauften, wurden Herren über ganze Versorgungskonzerne: Bochum und Dortmund kauften 2003 von Eon die Gelsenwasser AG. Ende 2010 beschlossen Bochum, Dortmund, Duisburg, Essen, Oberhausen und Dinslaken den Kauf von 51 Prozent der Anteile der Steag, dem fünftgrößten Energieerzeuger Deutschlands. Schon zuvor begannen die Stadtwerke vermehrt, sich an Kraftwerke zu beteiligen. Viele von ihnen halten Anteile an Trianel, einem Energieunternehmen, das über 100 Stadtwerken gehört und Strom sowohl erzeugt als auch mit Strom handelt.

Eine solche Entwicklung könnte auch Berlin in ein paar Jahren bevor stehen, denn diejenigen, die an der Spitze von Stadtwerken stehen, sehen sich selbst als Unternehmer – und könnten irgendwann auch mehr unternehmen wollen, als ein paar Windräder in den märkischen Sand zu setzen. Und es besteht durchaus auch die Möglichkeit, das Berliner Politiker, denen Eitelkeit nicht gänzlich fremd sein wird, von der Idee eines Konzerns und satter Gewinne begeistert sein werden – und zum Beispiel der Beteiligung an Offshore-Windparks, großen Solaranlagen in Spanien oder Müllheizkraftwerken anderer Stadtwerke begeistert zustimmen werden. Da Berlin pleite ist und schon die heutigen, bescheidenen, Pläne über Kredite wird finanzieren müssen, wird auch dieses Wachstum wie im Ruhrgebiet auf Pump erfolgen. Die Beteiligungen an der Steag und an Gelsenwasser erfolgten mit geliehenem Geld. Alle beteuerten damals, wie risikolos das sei. In einem Hintergrundgespräch sagten die Spitzen der Duisburger Stadtwerke noch kurz vor dem Steag-Kauf, sie könnten die Entwicklung auf den Energiemärkten für die kommenden 20 Jahre gut abschätzen. Nun muss Duisburg 20 Millionen in die Restrukturierung der Stadtwerke stecken und die Steag finanzierte 2011 ihre Gewinnausschüttung an die Städte und den Minderheitseigner Evonik von über 100 Millionen Euro durch eine beherzten Griff in die Rücklagen. Verdient hatte Evonik nur magere 6,7 Millionen Euro. Für die Investitionen in Erneuerbare Energien, die man den Stadträten versprochen hatte, bleibt da nicht viel Geld.

Allerdings funktioniert die Politikerbeglückung auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten: Parteifreunde erhalten lukrative Vorstandsjobs und wenn Fußballvereine, Theater oder Kindergärten einmal Geld brauchen, springen die Stadtwerke gerne ein. Dafür drücken sie in den Räten dann auch mal beide Augen zu, wenn wirtschaftliche Abenteuer gewagt werden. Denn auch tolle Partys werden von den Stadtwerken geschmissen und bei denen sitzen dann die örtlichen Politgranden in der ersten Reihe: Zum Beispiel wenn SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück für 25.000 Euro Honorar in Bochum über Fußball plaudert oder Jimmy Carter Weltstadtflair in Wattenscheid verbreitet.

Stefan Laurin arbeitet als freier Journalist im Ruhrgebiet und ist Herausgeber des Blog Ruhrbarone.

Stefan Laurin

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