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Leser-Debatte: Brauchen wir ein Seniorenstrafrecht?

Mit der Veränderung der Alterspyramide steigen auch die Zahlen der Straftaten, die von älteren Menschen verübt werden. Noch ist diese Zunahme undramatisch, jedoch kontinuierlich. Deshalb stellt sich die Frage, ob das Strafrecht für die Bevölkerungsgruppe der Älteren ergänzt werden sollte. Diskutieren Sie mit!

Meldungen aus den letzten Tagen berichten vom 74-jährigen Rentner, der eine Cannabis-Plantage unterhielt, und vom 81-jährigen Waffennarr, der an die 100 Waffen gehortet hatte. Noch sind Senioren, die mit dem Gesetz in Konflikt geraten, Einzelfälle. Doch das kann sich ändern.

Da der Anteil der Älteren in unserer Gesellschaft prozentual und absolut zunimmt, verzeichnen die Kriminalstatistiken eine Zunahme älterer Straftäter - noch undramatisch, jedoch kontinuierlich. Sie machen mit zwar nur sieben Prozent einen geringen Anteil der offiziell registrierten Straftäter aus. Das Dunkelfeld von Altersstraftaten ist jedoch vergleichsweise hoch. Die Polizei schaut eher auf jüngere Leute, etwa bei Trunkenheit am Steuer. Dies ist nach einer Studie der Soziologin Franziska Kunz das Hauptdelikt bei älteren Straftätern, gefolgt von Steuerbetrug, Schwarzfahren, Diebstahl am Arbeitsplatz, Schwarzarbeit und Versicherungsbetrug. Es geht also nur höchst selten um Gewaltdelikte, sondern vor allem um Schummeln und Betrügen. Kunz differenziert: „Die ganz Alten (über 80 Jahre) sind noch mit strengen Normen erzogen worden. Man stiehlt nicht, und das gilt immer. Die jüngeren Alten (ab 60 Jahre) finden derartige Regelverstöße weniger schlimm, da sie mehr vom allgemeinen Wertewandel erfasst sind.“

Altersarmut ist nach Kunz’ Ergebnissen kein bedeutsamer Grund für kriminelle Taten. Auffällig sind vor allem Ältere, die noch ordentliche Renten und Pensionen haben, bei ihnen sind Geiz und Gier die Motive.

Auffällig ist jedoch: 80 Prozent dieser Straftäter sind in ihrem bisherigen Leben nicht auffällig geworden und stehen zum ersten Mal vor Gericht.

Dieses Phänomen ist für André Schulz, den Bundesvorsitzenden des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, Anlass für eine provokante Frage: Braucht Deutschland ein „Altenstrafrecht“?

Man müsse sich die Frage stellen, so Schulz, ob die Argumente, die 1923 zur Einführung eines Jugendstrafrechts geführt haben, zukünftig auch ein „Seniorenstrafrecht“ begründen könnten, welches die besonderen Umstände des Täterwerdens im Alter berücksichtigt.

Bei beiden Gruppen, Jugendlichen wie Senioren, liege oftmals eine verminderte Steuerungs-, Urteils – und Merkfähigkeit vor. Beide Gruppen haben mehr Freizeit und damit auch mehr Zeit für abweichendes Verhalten. Jedoch gebe es, wie Schulz betont, auch Faktoren, die gegen eine überdurchschnittlich erhöhte Delinquenz, ja sogar für eine verminderte Delinquenz sprechen.

Zudem ist nach den Konsequenzen für den Strafvollzug von Älteren zu fragen, etwa was die ärztliche Betreuung angeht. Auch der Anspruch auf Resozialisierung, ein wesentlicher Auftrag unseres Rechtssystems, wirkt bei einem 75jährigen Betrüger oder einem 80jährigen Sexualstraftäter fragwürdig.

Liebe Leserinnen und Leser, diskutieren Sie mit! Sind die Überlegungen zu einem neuen „Seniorenstrafrecht“ ein angemessener Weg, um auf künftige Probleme reagieren zu können? Oder sind sie ein Versuch, eine Bevölkerungsgruppe zu diffamieren? Wie sehen Sie die künftige Kriminalitätsentwicklung angesichts der sich deutlich verändernden Altersstruktur unserer Gesellschaft? Nutzen Sie die Kommentarfunktion, um mit den anderen Lesern zu diskutieren!

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