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CDU-Spitzenkandidat David McAllister zusammen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel.

© dpa / picture alliance

Niedersachsen: Die missbrauchte Landtagswahl

Am 20. Januar 2013 wird in Niedersachsen ein neuer Landtag gewählt. Doch um Landespolitik geht es im Wahlkampf nicht. Statt dessen stilisieren Bundespolitiker das Ganze zum Testlauf um die Schlacht im Bund. Für die SPD wird es sogar eine Schicksalswahl.

Kaum war Weihnachten vorbei, da begann in Niedersachsen die heiße Phase des Landtagswahlkampfes. Im ganzen Land hängen nun die Plakate, auf denen es mal „so machen wir das“ (CDU) und mal „Anpacken. Besser machen“ (SPD) heißt. Die Zeit drängt. Bereits am 20. Januar sind die sechs Millionen Wähler zwischen Ems und Elbe aufgerufen, ein neues Parlament zu bestimmen.

Doch um landespolitische Themen, um Bildung, regionale Entwicklung oder Wirtschaftsförderung geht es in der kurzen Wahlschlacht nur am Rande. Stattdessen hat die Bundespolitik den Wahlkampf okkupiert. Auf den Wahlplakaten dominieren bundespolitische Themen und allgemeine parteipolitische Bekenntnisse. Häufiger denn je werden sich zudem in den kommenden drei Wochen Bundespolitiker in einem Landtagswahlkampf engagieren, allen voran Bundeskanzlerin Angela Merkel und der SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück. Für beide ist der Wahlkampf ein Testlauf für die bundesweite Wahlschlacht dieses Jahres. Der niedersächsische Ministerpräsident David McAllister (CDU) und sein Herausforderer Stephan Weil von der SPD hingegen sind nur Statisten. Alle Bundespolitiker wissen, wie wichtig für die Bundestagswahl im September das politische Signal ist, das von dieser Landtagswahl in Niedersachsen ausgeht.

Ein Sieg von Rot-Grün würde der Opposition auch im Bund zu enormem Rückenwind verhelfen. Für die SPD ist die Wahl in Niedersachsen zudem die letzte Chance, bundespolitisch in die Offensive zu gehen. Denn bislang liegt die Partei in bundesweiten Umfragen deutlich hinter der Union zurück, vor allem auf die ungeheure Popularität von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) finden die Sozialdemokraten überhaupt keine Antwort. Die Kür ihres Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück haben sie verpatzt.

Scheitert die FDP an der Fünf-Prozent-Hürde, wären sicherlich nicht nur die Tage von Parteichef Rösler gezählt. Auch die Debatten über den zukünftigen Kurs der Partei würden wieder aufflammen und die Liberalen vor eine Zerreißprobe stellen. Sollte zugleich die CDU die bittere Erfahrung machen, dass sie die Macht nur deshalb verliert, weil der liberale Koalitionspartner schwächelt, hätte dies erhebliche Auswirkungen auf die machtstrategischen Debatten in der Union. Zugleich würde sich die Fragen nach Schwarz-Grün aus Sicht der Christdemokraten noch einmal neu stellen. Auch die Bundesregierung würde vermutlich in neue Turbulenzen geraten.

Verteidigt hingegen Schwarz-Gelb die Macht und bleibt Ministerpräsident David McAllister Ministerpräsident, hieße der große Wahlverlierer Peer Steinbrück. Die Diskussion um dessen Nebeneinkünfte und um die Frage, ob dieser der richtige Kanzlerkandidat der SPD ist, würde neu aufflammen. Die Anhänger von SPD und Grünen müssten zudem wohl ihre Hoffnungen auf einen Wahlsieg im Herbst frühzeitig beerdigen. Bei den Grünen würden die Anhänger einer Öffnung ihrer Partei gegenüber Bündnissen mit der CDU wieder Aufwind verspüren.

Für die Linken und die Piraten geht es vor allem darum, sich bundespolitisch zurückzumelden und den zuletzt jeweils negativen Trend zu brechen. Mit Achtungserfolgen würden auch die innerparteilichen Debatten verstimmen.

Natürlich spielen in Landtagswahlkämpfen immer auch bundespolitische Themen eine große Rolle. Aber selten stehen die Bundespolitik und die bundespolitischen Interessen der Parteien so im Fokus wie derzeit in Niedersachen. Selten wurden Landtagswahlen derart missbraucht und instrumentalisiert wie in diesem Jahr.

Warum Niedersachsen als bundespolitisches Testland gilt

CDU-Spitzenkandidat David McAllister zusammen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel.
CDU-Spitzenkandidat David McAllister zusammen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel.

© dpa / picture alliance

Zuletzt war dies vor 15 Jahren in Niedersachen ähnlich. 1998 sollte die Landtagswahl für den damaligen SPD-Ministerpräsidenten Gerhard Schröder das Sprungbrett zur Kanzlerkandidatur seiner Partei werden und ihm den Weg ins Kanzleramt öffnen. Auch vor dreizehn Jahren spielte Landespolitik im Wahlkampf keine Rolle. Stattdessen läutetet die SPD mit ihrem überraschend deutlichen Wahlsieg und mit dem Gewinn der absoluten Mehrheit das Ende der Ära Kohl und das Ende seiner christlich-liberalen Bundesregierung ein.

Niedersachsen eignet sich auch deshalb besonders gut als bundespolitisches Testland, weil die Wählerschaft sehr heterogen ist. Neben den traditionellen Hochburgen der CDU im katholischen Emsland und in der vom Konservatismus geprägten Lüneburger Heide, gibt es Regionen im Süden und Osten des Landes sowie in Ostfriesland, in denen die SPD seit über hundert Jahren eine starke Anhängerschaft besitzt. Auch die Grünen verfügen in den niedersächsischen Universitätsstädten wie Göttingen, Oldenburg oder Lüneburg sowie im Wendland über eine starke Basis.

Der Wahlkampf ist spannend, der Ausgang der Wahl völlig offen. Ob es Schwarz-Gelb gelingt die Macht in Hannover zu verteidigen, oder ob Rot-Grün die Wahl gewinnt, lässt sich seriös nicht vorhersagen. Dafür gibt es noch zu viele unentschlossene Wähler, die sich erst in den letzten Tagen des Wahlkampfes entscheiden. Immer mehr Wähler legen sich sogar erst auf dem Weg ins Wahllokal fest. Es lohnt sich also für die Parteien, alle Ressourcen in den Wahlkampfendspurt zu investieren.

Derzeit liegt die Opposition in Umfragen vorne, aber das kann sich noch ändern. Minimale Verschiebungen in der Wählergunst können große Wirkung haben. Denn entscheidend wird der Wahlausgang davon abhängen, wie viele kleine Parteien in den Landtag einziehen. Möglich scheint, dass sowohl FDP, Linke und Piraten an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern. In einem Drei-Parteien-Parlament läge Rot-Grün aller Wahrscheinlichkeit nach klar vorne. Zieht als vierte Partei die FDP in den Landtag ein, gibt es zwischen Schwarz-Gelb und Rot-Grün ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Gelingt auch den Linken und/oder den Piraten der Sprung über die 5-Prozent-Hürde, dann gibt es zwischen Schwarz-Gelb und Rot-Grün ein Patt. Die Regierungsbildung wird insgesamt schwierig.

Fest steht nur, dass die bundespolitischen Wahlkämpfer sich schon am Tag nach der Wahl nicht mehr für Niedersachsen interessieren werden. Das flächenmäßig zweitgrößte, aber dünn besiedelte und wirtschaftlich schwache Bundesland wird wieder im Schatten der Bundespolitik stehen und im Schatten der politisch und wirtschaftlich einflussreichen Bundesländer wie Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg oder Bayern. Dann bleibt Niedersachsen zwar weiter „sturmfest und erdverwachsen“, wie es in der Hymne des Landes heißt, aber weit weg von der Hauptstadt.

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