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Öltanker sind in der Straße von Hormus. Mit einem Stopp der Öleinfuhren will die EU den Iran zum Einlenken im Atom-Streit bringen.

© dpa

Öl-Embargo gegen Iran: Rote Linien am Persischen Golf

Sollte der Iran tatsächlich die Straße von Hormus sperren, haben die USA mit einem militärischen Eingreifen gedroht. Doch dabei ginge es nicht in erster Linie ums Öl, sagen Markus Kaim und Kirsten Westphal von der Stiftung Wissenschaft und Politik.

Mit dem Beschluss der EU, im Zusammenhang mit dem Atomstreit ein Öl-Embargo gegen den Iran zu verhängen, spitzt sich die Situation am Persischen Golf zu. Noch bis zum 1. Juli gilt eine Übergangsfrist für "Altverträge", ab dann greifen die Sanktionen voll. Der Iran will nun seinerseits die Öllieferungen einstellen und droht mit einer Blockade der Straße von Hormus, dem kritischen Nadelöhr der globalen Ölversorgung. Ein solches Szenario wurde vielfach als "Krieg um Öl" beschworen, doch die  Entwicklung am Persischen Golf haben viel weniger mit energiepolitischen als mit sicherheitspolitischen Interessen und Handlungszwängen zu tun.

Fünf Prozent der EU-27 Ölimporte kamen zuletzt aus dem Iran. Bei den geschwächten Volkswirtschaften Griechenland, Italien und Spanien sind die Importanteile jedoch signifikant höher, und sie verfügen teilweise über günstige Langfristverträge. Insofern senden die Europäer mit dem Embargo auch energiepolitisch ein beachtliches Signal der Einigkeit aus. Sie vertrauen darauf, dass Engpässe auf dem internationalen Ölmarkt abgefangen werden können: Libyen kommt wieder auf den Markt, und die bekannten „Swing Produzenten" im Golf, allen voran Saudi-Arabien, haben eine Erhöhung ihrer Öllieferungen zugesagt.

Mit circa 2,3 Millionen Barrel Öl täglich exportiert der Iran drei Prozent des Weltbedarfs und erwirtschaftet damit rund 80 Prozent seiner Auslandseinnahmen. Die EU-Staaten beziehen etwa 20 Prozent seines Öls. Das Embargo bringt das Land also unter Druck, wenngleich insbesondere China, ohnehin ein strategisch wichtiger Partner Irans, aber auch Indien als Abnehmer bereit stehen. China, das gerade strategische Ölreserven aufbaut, kommen größere Mengen zu günstigen Preisen zu Pass. Iran wird somit wohl Einnahmeverluste hinnehmen müssen, denn dem Land fehlt es an moderner Technologie, was ein Ab- und wieder Anfahren der Produktion erschwert, sowie an Lagerkapazitäten. Aber auch Peking muss den diplomatischen Eiertanz üben. Nicht nur Teheran ist ein strategischer Partner und vitaler Öllieferant für China: Auch Saudi-Arabien darf als wichtiger Handelspartner nicht vergrämt werden.

Auch China würde eine Blockade der Straße von Hormus nicht tolerieren

Das Damoklesschwert einer vorübergehenden Schließung der Straße von Hormus schwebt über den ohnehin strapazierten Ölmärkten. Rund ein Fünftel des weltweit gehandelten Öls wird über diesen Seeweg verschifft. Die einzigen Länder, die über freie Förderkapazitäten verfügen, Saudi-Arabien und die Golfemirate, wären weitgehend von den Märkten abgeschnitten. Zwar verfügt Saudi-Arabien über eine Überlandpipeline nach Westen ans Rote Meer, doch deren Exportkapazitäten von circa 5,5 Millionen Barrel pro Tag sind zu gering, um die Ausfälle vor allem auf den asiatisch-pazifischen Märkten zu kompensieren. Die Importländer müssten frühzeitig auf ihre strategischen Reserven zurückgreifen. Experten warnen vor Ölpreisen von 150 bis 200 US Dollar pro Barrel. Insofern ist der psychologische Effekt dieses Bedrohungsszenarios auf die Märkte hoch. Für die fragile Weltwirtschaft wäre eine solche Lage verheerend und für die von der Schuldenkrise betroffenen EU und USA besonders schmerzhaft.

Die USA haben Teheran deutlich gemacht, dass mit der Sperrung der Straße, und sei sie vorübergehend, eine rote Linie überschritten wäre, und sie militärisch eingreifen würden. Auch China hat signalisiert, dass es eine Blockade des Seewegs nicht tolerieren würde. Aus militärischer, politischer und ökonomischer Sicht ist es allerdings wenig wahrscheinlich, dass es tatsächlich zu einer Blockade kommt. Militärisch könnte der Iran der amerikanischen Marine und ihren Verbündeten mit den maritimen Kapazitäten, die den revolutionären Garden zuzurechnen sind (Schnellboote, U-Boote, Minen), schmerzhafte Schläge zufügen. Letztlich ist der Iran in einem derartigen militärischen Konflikt den Vereinigten Staaten aber so deutlich unterlegen, dass eine Blockade nur kurze Zeit Bestand haben könnte. Zudem müsste der Iran fürchten, dass befreundete Staaten, allen voran China, sich abwenden und eine temporäre Allianz mit dem Westen bilden.

Der Konflikt zeigt: Die USA verstehen sich nach wie vor als globale Ordnungsmacht

Das Engagement der USA erklärt sich nicht (mehr) mit ihrer Abhängigkeit vom Öl der Golfstaaten. Ein Blick auf die Öllieferströme aus der gesamten Golfregion zeigt tektonische Verschiebungen im Öl- und Gasmarkt: Längst haben China und Indien die Europäer und die USA als Hauptabnehmer in der Golfregion abgelöst. Die USA wiederum steuern mit dem Ausbau gerade der eigenen (un)konventionellen Öl- und Gasproduktion auf eine Phase der Semi-Autarkie Nordamerikas zu.

Es zeigt sich vielmehr, dass sich die USA trotz einer Innenwende ihrer Politik und beschränkter Ressourcen für die Außen- und Sicherheitspolitik nach wie vor als globale Ordnungsmacht verstehen. Sie sehen sich in der Pflicht, strukturelle Rahmenbedingungen für eine stabile Weltwirtschaft zu schaffen und insofern einen freien Seeweg zu garantieren. Darüber hinaus geriete im Falle einer Blockade das sensible Machtgefüge der großen Energieproduzenten am Golf aus den Fugen. Bereits erkennbare Bemühungen der arabischen Golfanrainer, eine politische wie militärische Gegenmacht zu Teheran zu bilden, würden beschleunigt. Dies könnte in ein nukleares Wettrüsten in der Region münden, das die USA zu verhindern suchen. Ferner haben sie ein vitales Interesse daran, dass Iran sich im Hegemonialwettstreit in der Region nicht durchsetzt. Denn sie wissen um dessen Eskalationspotential in anderen Ländern der Region: in Israel, dem Irak, Bahrain oder Saudi-Arabien.

Viel beschworen ist die Hinwendung der USA zum asiatisch-pazifischen Raum und eine kommenden Konkurrenz mit China. Die Entwicklung am Persischen Golf erzählt (noch) eine andere Geschichte: Denn obwohl China angesichts eines immer noch beachtlichen, aber sinkenden Wirtschaftswachstums kein Interesse an einer Gefährdung der eigenen Energieversorgung sowie der globalen wirtschaftlichen Entwicklung hat, bleibt das Land Trittbrettfahrer zum eigenen Vorteil, anstatt weltpolitische Verantwortung zu übernehmen.

Markus Kaim leitet die Forschungsgruppe Sicherheitspolitik an der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) und forscht u.a. zu transatlantischer sicherheitspolitischer Zusammenarbeit. Kirsten Westphal beschäftigt sich unter anderem mit globaler Energiesicherheit. Die Stiftung berät Bundestag und Bundesregierung in allen Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik. Der Artikel erscheint auf der SWP-Homepage in der Rubrik www.swp-berlin.org/de/kurz-gesagt.html.

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