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Positionen: Nahost: Die Türkei hätte die jüngste Eskalation verhindern können

Die Türkei trägt Mitschuld an der Verschlechterung der Beziehungen zu Israel, sagt die türkischstämmige Berliner SPD-Abgeordnete Bilkay Öney. Wenn das Land Frieden im Nahen Osten will, muss es sein Verhältnis zu den israelischen Nachbarn verbessern.

„Wenn es brennt, muss das Feuer gelöscht werden, auch wenn es Brandstiftung war.“ Diese Aussage von Peer Steinbrück kann derzeit gut auf das türkisch-israelische Verhältnis übertragen werden. Denn es brennt und der Brand muss gelöscht werden, ungeachtet dessen, ob er absichtlich gelegt wurde.

Das Verhältnis zwischen der Türkei und Israel ist derzeit stark angespannt. Dazu hat nicht nur ein türkisches Boot mit der Namen Mavi Marmara (Blaues Marmara) in Richtung Gaza beigetragen. Der tragische Vorfall auf diesem Boot, bei dem Menschen zu Tode kamen, hätte möglicherweise verhindert werden können. Es hätte niemand sterben müssen, es hätte nicht so weit kommen dürfen. Mehr als die Frage, wie es dazu kam, muss uns nun aber die Frage beschäftigen, was wir tun müssen, damit das Verhältnis zwischen der Türkei und Israel besser wird.

Dieses Verhältnis war lange Zeit sehr gut. Solange, bis die AK Partei im Jahr 2006 eine Delegation der Hamas unter Führung von Khalid Mashal in ihrer Parteizentrale empfing. Die Türkei versuchte, ihre neue außenpolitische Linie unter dem Motto „keine Probleme mit den Nachbarn“ - auch unter Einbeziehung der Hamas - durchzusetzen. Was die Türkei dabei vergaß, war, dass die Hamas für Israel eine tödliche Bedrohung und ein Feind war. Die Situation wurde noch schwieriger, als die Türkei im Gaza-Konflikt 2008-2009 versuchte, zwischen Israel und Syrien zu vermitteln. Zwar war das Anliegen der Türkei, für Frieden und Stabilität in Nahen und Mittleren Osten zu sorgen, ein richtiges und gutes. Doch verdeckte die populistische und gewaltvolle Sprache manch eines türkischen Politikers das friedliche Ansinnen der Türkei. Besonders anschaulich wurde dieser Umstand während des Weltwirtschaftsforums in Davos, als Premierminister Tayyip Erdogan wutentbrannt die Bühne verließ, die er sich mit Israels Präsident Shimon Peres teilte. Das türkisch-israelische Verhältnis schien den Skeptikern für alle Zeiten zerrüttet.

Als deutsche Politikerin mit türkischer Herkunft belastet mich das angespannte Verhältnis zwischen der Türkei und Israel sehr, und ich verfolge den wachsenden Antisemitismus in der Türkei beziehungsweise in der türkischen Bevölkerung mit großer Sorge. Denn als deutsche Politikerin trage ich eine besondere moralische und historische Verantwortung für die jüdische Bevölkerung - nicht nur in Deutschland, auch in der Türkei. Das Osmanische Reich hat Juden stets gerne aufgenommen und beschützt. In dieser Tradition möchte ich die Türkei auch heute sehen. Hätte die Türkei auf die Warnungen Israels reagiert und die Güter mit international anerkannten Hilfsorganisationen in die palästinensischen Gebiete geschickt, es hätte den Palästinensern mehr genützt und die Krise wäre nicht eskaliert. Hätten die Bootsinsassen auf die Warnungen der israelischen Armee reagiert und die Soldaten nicht angegriffen und entwaffnet, wäre es nicht zum Schusswechsel gekommen und es gäbe keine Tote.

Politiker und Regierungen tragen Verantwortung für ihre Bürger. Niemand darf die religiösen und menschlichen Gefühle von Bürgern für politische Zwecke benutzen. Niemand darf den Tod seiner Bürger fahrlässig verschulden. Hätte die Türkei vorher auf die Bitten und Warnungen Israels gehört, wären die türkischen Bootsinsassen heute am Leben; die palästinensischen Menschen hätten ihre Hilfsladungen empfangen und der Frieden im Nahen Osten wäre nicht gefährdet. Wenn die Türkei den Frieden im Nahen Osten tatsächlich will, muss sie ihre „Null-Probleme-mit-den-Nachbarn-Politik“ fortsetzen – auch mit Israel. Eine mutwillig herbeigeführte Krise kann nicht im Interesse der Türkei sein. Die Türkei spielt eine wichtige politische und militärstrategische Rolle in dieser Region. Diese Rolle darf sie nicht aufgeben und nicht aufs Spiel setzen. Dazu ist das Ausmaß dieser Krise viel zu groß und die Ergebnisse wären verheerend. Dazu darf es niemals kommen.

Bilkay Öney sitzt für die SPD im Berliner Abgeordnetenhaus. Bevor sie 2009 zu den Sozialdemokraten wechselte, war sie integrationspolitische Sprecherin der Grünenfraktion. Öney wurde 1970 in der Türkei geboren und lebt seit 1973 in Deutschland.

Bilkay Öney

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