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Da braucht man nicht viel zu rechnen: Investitionen in die Bildung zahlen sich enorm aus.

© dpa

Rekord-Steuereinnahmen: Bildung wirft die größte Rendite ab

Bund und Länder haben im vergangenen Monat so hohe Steuereinnahmen verzeichnet wie nie zuvor in einem März. Das Geld sollte nun klug investiert werden – und zwar in Bildung.

Es sei schmerzlich, auf so viel Geld zu sitzen, sagte einst Warren Buffett, Anlagelegende und einer der reichsten Männer der Welt. „Aber noch schmerzlicher ist es, etwas Dummes damit anzustellen.“

Auch wenn man Börsentipps nicht eins zu eins auf die Politik übertragen sollte: Angesichts der Rekord-Steuereinnahmen darf man doch einmal an diesen Satz erinnern. 55,36 Milliarden Euro haben Bund und Länder im vergangenen Monat eingenommen – so viel wie noch nie in einem März.

Was erst einmal wie eine gute Nachricht klingt, bekommt angesichts des Gezänks, das sich die Parteien bereits um das Geld liefern, einen sauren Nachgeschmack. Plötzlich scheint jeder zu wissen, was das Beste für das Land ist. Die Union möchte am liebsten den Mittelstand entlasten und die sogenannte kalte Progression abbauen. Die FDP, wenig überraschend, schließt sich dieser Forderung prompt an. Die Linken wollen das Geld lieber in den Sozialstaat, die Grünen in den Schuldenabbau stecken. Und den Sozialdemokraten reichen selbst diese Milliarden nicht; sie setzen weiterhin auf Steuererhöhungen.

Wie Deutschland noch reicher werden kann

Gemeinsam ist allen Parteien, dass sie die Ideen der jeweils anderen für etwas Dummes halten. Manchmal sogar die der eigenen Leute – so hatte sich Schleswig-Holsteins SPD-Ministerpräsident Torsten Albig mit seiner Idee einer Schlagloch-Abgabe für alle Autofahrer sogar in der eigenen Partei unbeliebt gemacht.

Vielleicht gäbe es aber doch ein Ziel, auf das sich alle Parteien einigen könnten: dass Deutschland noch reicher werde, dass die Steuern noch zahlreicher sprudeln. Dann könnte man den Mittelstand, den Sozialstaat und den Gläubigern zugleich dienen.

Für Warren Buffet war die Frage, wie man reich wird, ganz leicht zu beantworten: „Kaufe einen Dollar, aber bezahle nicht mehr als 50 Cent dafür.“ Anders gesagt, sichere dir einen großen Profit für einen kleinen Preis.

Bis zu drei Billionen Euro Mehreinnahmen

Wie das in der Volkswirtschaft funktioniert, haben Wissenschaftler schon vor fünf Jahren errechnet: durch Investitionen in die Bildung. Die Renditekurven, die eine Grafik der Bertelsmann Stiftung da verspricht, würden jedem Fondsberater wässrige Augen machen. Je schneller in Bildung investiert wird, desto höher das Bruttoinlandsprodukt - so lässt sich die Formel zusammenfassen. Würde man die Zahl der Jugendlichen halbieren, die kaum richtig lesen und schreiben können, hätte die Volkswirtschaft 2090 drei Billionen Euro mehr gewonnen – das ist mehr als das gesamte heutige Bruttoinlandsprodukt.

Besser ausgebildete Jugendliche rutschen seltener in die Kriminalität ab, haben häufiger einen Job, zahlen Sozialabgaben und Lohnsteuern und fallen somit der Solidargemeinschaft nicht mehr zur Last. Ein so „geretteter“ junger Erwachsener bringt dem Staat als Single am Anfang seiner beruflichen Laufbahn 179 Euro mehr Geld ein, als 80-jähriges Rentnerpaar 10.346 Euro. Ein Riesengewinn für alle. Die Rechnung hat damals das Münchner ifo-Institut für Wirtschaftsforschung mit aufgestellt, das nicht gerade im Verdacht steht, linken Sozialutopien anzuhängen.

Die Voraussetzung: Man hätte 2009 mit einer Bildungsreform beginnen und sie binnen fünf Jahren abschließen müssen. Ob Frühförderung, Nachhilfe oder Programme zur Inklusion: Die Forscher machten der Politik damals keine Vorgaben, wie genau die Reformen auszusehen haben.

Ein Euro in die Bildung bringt sieben Euro zurück

Doch 2014 ist von all dem „nur ziemlich wenig umgesetzt worden“, sagt die damalige Programmleiterin Anette Stein heute. Die Zahl derer, die im Schulsystem scheitern, sei nur minimal reduziert worden. Selbst am Kita-Ausbau lässt sie kein gutes Haar: Es mangele an Qualität und Personal.

Dabei sind die volkswirtschaftlichen Renditen hier die allerhöchsten. Jeder Euro, der in frühkindliche Bildung gesteckt wird, bringt der Gesellschaft am Ende das Siebenfache zurück. Langzeitstudien in den USA schätzen die Relation sogar auf 1 zu 40. „Man kann in jedem Fall sagen: Bildungsinvestitionen refinanzieren sich“, fasst Stein die Erkenntnisse zusammen.

Das Bruttoinlandsprodukt könnte von gezielten Investitionen in die Bildung enorm profitieren.
Das Bruttoinlandsprodukt könnte von gezielten Investitionen in die Bildung enorm profitieren.

© Bertelsmann Stiftung

Warren Buffetts Anlagetipp erscheint dagegen fast wie ein Verlustgeschäft.

Freilich dürfen sich die Bemühungen nicht auf das Kindergartenalter beschränken. Auch ungelernte Jugendliche sind teuer, wie die Bertelsmann Stiftung in einer anderen Studie errechnete. Wenn es nicht gelingt, die Zahl der 150.000 jungen Menschen ohne Ausbildungsabschluss zu halbieren, entstehen für die öffentlichen Haushalte Belastungen in Höhe von 1,5 Milliarden Euro pro Altersjahrgang.

Große Koalition pämpert lieber die Rentner

Tatsächlich ist die deutsche Wirtschaft händeringend auf qualifizierten Nachwuchs angewiesen. Verschläft Deutschland es hier, seine Hausaufgaben zu erledigen, riskiert es auch seinen weltweiten Spitzenplatz.

Doch die Konsequenzen lassen auf sich warten. Stattdessen streiten sich die Bundesländer über die Dauer der Gymnasialzeit, weisen sich gegenseitig die Schuld am schleppenden Kita-Ausbau zu, und jeder wurstelt mit seiner eigenen Schulform vor sich hin. Und die Große Koalition? Die pämpert ihre Wähler lieber mit Rentenmilliarden, anstatt es mit dem sperrigen Bildungsföderalismus aufzunehmen.

Warren Buffett sagte mit Blick auf den Aktienmarkt einmal, für Investitionen sei genau dann die beste Zeit, „wenn sich niemand für Aktien interessiert“.

Wäre Buffett deutscher Politiker, müsste er jetzt in Goldgräberstimmung verfallen: Angesichts der jüngsten Steuermilliarden kam jedenfalls noch keine Partei auf die Idee, mehr in Kitas, Schulen und Ausbildung zu stecken.

Petra Sorge ist Online-Redakteurin bei Cicero. Ihren Kommentar veröffentlichen wir in Kooperation mit Cicero Online.

Petra Sorge

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