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Thomas de Maizière ist in der Drohnen-Affäre weiter in die Defensive geraten, meint Christoph Seils.

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Thomas de Maizière: Der Verteidigungsminister und die Krisenkommunikation

Thomas de Maizière ist in der Drohnen-Affäre weiter in die Defensive geraten, und es zeigt sich, nicht jeder gute Aktenfresser ist auch ein guter Politiker. Der Verteidigungsminister ist in eine klassische Falle der politischen Krisenkommunikation getappt.

Der Befreiungsschlag muss wohl als missglückt gelten. Am Mittwoch vergangener Woche hatte Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière die Offensive gesucht. In der Affäre um die Euro-Hawk-Drohne, um technische Pannen und um Verluste in dreistelliger Millionenhöhe hat er erst das Parlament und dann die Öffentlichkeit informiert. Fünf Tage später steckt der Minister tiefer im politischen Schlamassel denn je. Die Opposition legt ihm den Rücktritt nahe und die Wähler wenden sich ab. Die Beliebtheitswerte des Verteidigungsministers sind innerhalb weniger Wochen in den Keller gestürzt.

Thomas de Maizière ist in eine klassische Falle der politischen Krisenkommunikation getappt. Der Verteidigungsminister hat erst zu lange geschwiegen und sich anschließend bei seinen Rechtfertigungen in Widersprüche verwickelt. Er hat sich in der Sache vage, aber über die Zeitabläufe sehr konkret geäußert und zudem versucht, der Verantwortung auf seine Mitarbeiter abzuwälzen. Das wird ihm nun zum Verhängnis.

Plötzlich diskutiert die Öffentlichkeit nicht mehr über die massiven technischen Probleme bei der Entwicklung einer vermeintlichen Wunderwaffe und auch nicht über die Ursachen der Kostenexplosion, sondern nur noch darum, was hat der Minister wann gewusst. Aus der Drohnen-Affäre ist eine De-Maizière-Affäre geworden. Die Süddeutsche Zeitung zweifelt an seiner Glaubwürdigkeit, die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung nennt ihn „Minister Ahnungslos“, die Opposition bezichtigt ihn der „Lüge“.

Ein ahnungsloser Bundesverteidigungsminister

Es ist ja auch einfacher, sich über den Terminkalender des Ministers zu beugen, als über die Herausforderungen und die gerechtfertigten Kosten einer technisch ambitionierten Waffenentwicklung zu diskutieren. Es ist einfacher, sich über die Unterscheidung des Ministers zwischen Flurfunk, Zurufen und Hintergrundinformationen sowie offizieller Unterrichtung und Vorlagen  zu echauffieren, als die Frage zu erörtern, warum es in Deutschland und Europa nicht gelingt, ein modernes Waffensystem zu entwickeln.

Auch über die Frage, ob die Bundeswehr überhaupt Drohnen anschaffen sollten, ob ferngelenkten Präzisionswaffen die Zukunft gehört oder ob ihr Einsatz die Hemmschwelle zur Kriegsführung senkt, ließe sich trefflich streiten. Stattdessen muss der Minister nun erklären, ob er erst am 13. Mai oder bereits am 1. März von den „unlösbaren Problemen“ bei der Entwicklung der Aufklärungsdrohne erfahren habe. Als machte dies bei einem Projekt, das bereits vor mehr als einem Jahrzehnt von Rot-Grün auf den Weg gebracht wurde, einen großen Unterschied.

Doch der Minister ist selber schuld. Er hat die Opposition und die Journalisten quasi dazu eingeladen. Erst hat de Maizière drei Wochen lang zu der Drohnen-Affäre geschwiegen und dies damit begründet, er wolle sich zunächst ein umfassendes Bild über die Probleme bei der Euro-Hawk-Entwicklung machen. Nun erweckt der Minister, der bislang als ruhiger, akribischer und vorausschauender Aktenfresser galt, den Eindruck, ihm sei der Durchblick verloren gegangen.

De Maiziére und seine Verteidigungsstrategie

Wobei sich dabei natürlich vor allem die Frage stellt: Was ist schlimmer? Ein Minister, der nicht weiß, was in seinem Ministerium los ist; ein Minister, der im Flurfunk von politischen alarmierenden Problemen bei der Entwicklung eines Waffensystems erfährt und trotzdem seelenruhig abwartet, bis ihn auf dem Dienstweg eine Vorlage erreicht; oder ein Minister, der nicht in der Lage ist, innerhalb von drei Wochen eine schlüssige Verteidigungsstrategie zu entwickeln.

„Der geordnete Geschäftsbetrieb eines jeden Ministeriums findet bestimmt nicht auf dem Flur statt“, hat der Minister nun in einem Interview mit dem Focus erklärt. Doch was als Rechtfertigung gedacht war, entpuppt sich bei genauem Hinsehen als peinliches Eingeständnis des politischen Scheiterns. Denn Politik ist in der Regel schließlich das Gegenteil eines geordneten Geschäftsbetriebes. Politik entfaltet sich häufig unerwartet, chaotisch und widersprüchlich. Ein guter Politiker zeichnet sich gerade dadurch aus, dass er für die Unwägbarkeiten des Gewerbes ein sensibles politisches Frühwarnsystem entwickelt hat.

So drängt sich der Verdacht auf, dass der Verteidigungsminister nur noch deshalb im Amt ist, weil erstens der Wahlkampf vor der Tür steht und sich zweitens kurz vor Ende der Legislaturperiode niemand findet, der bereit und in der Lage wäre, diesen Höllenjob im Verteidigungsministerium auf die Schnelle und wohlmöglich nur für ein paar Monate zu übernehmen. Und es bleibt die Erkenntnis: Nicht jeder gute Aktenfresser ist auch ein guter Politiker.

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