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Ursula Weidenfeld: Ein Zwischenruf zum Kinderdrill

Ursula Weidenfeld darüber, wie Eltern ihre Kinder richtig erziehen.

In den USA regen sich im Augenblick alle über eine Frau auf, die ihre Kinder streng erzieht. Sie hat ein Buch geschrieben. In dem steht, wie sie selbst, die Amerikanerin mit asiatischen Wurzeln, ihren Weg gemacht hat. Es steht auch darin, welchen Weg sie für ihre beiden Töchter sieht: Die Mädchen müssen fleißig lernen und immerzu üben, Müdigkeit und Überdruss sind keine Entschuldigung, „keine Lust“ schon gar keine. Drill steht hier an der Stelle von Toleranz, Strenge an der von Verständnis.

Amy Chua ist der Überzeugung, dass sie das alles aus Liebe zu ihren Kindern tut. Aber lieben die Kinder sie auch zurück? Für Chua ist das zweitrangig. Hier sind wir an einem Punkt, an dem das Unverständnis der amerikanischen und europäischen Eltern beginnt. Wie kann man es in Kauf nehmen, dass einen die Kinder vielleicht nicht lieben könnten? Nur um einer Eins in der Schule willen? Absurd.

Auch deutsche und amerikanische Eltern wollen, dass ihre Kinder spitze sind. Aber vor allem wollen sie von ihnen geliebt werden. Weil der Nils unter der rauen Schale doch ein ganz prima Kerl ist, nur leider gerade in der Pubertät, erniedrigen sie sich in Elternsprechstunden. Sie dienern vor dem Direktor und pflanzen Petunien auf dem Schulhof, weil sie glauben, dass das dem Maximilian den Schulzugang vielleicht doch noch ebnet. Und wenn Charlotte Lea Marie es dann immer noch nicht packt, hilft vielleicht eine ganzheitliche therapeutische Begleitung.

Beide Erziehungs- und Bildungswege sind falsch. Denn beiden Elterntypen geht es nicht darum, was in der nächsten Generation zählt. Es geht um sie selbst. Die Kinder aber werden am Ende nicht daran gemessen, ob sie ihre Eltern lieben oder ob sie sich dem Drill gebeugt haben. Sie werden sich bewähren, wenn sie klug, schnell und entschlossen sind. Um das zu werden, muss man erleben, dass Eltern einen lieben und fordern. Dass sie zu ihrem Kind stehen, aber einen distanzierten Blick auf die Schwächen und Defizite des Nachwuchses behalten. Dass sie darauf bestehen, dass diese Schwächen mit Disziplin und Fleiß kompensiert werden.

Es ist nicht richtig, wenn sich Eltern nur für den Erfolg ihrer Kinder aufreiben. Es geht aber genau so schief, wenn sie sich immerzu nur um die Liebe ihrer Söhne und Töchter bewerben. Wenn man sich die familiären Debatten um die Zwischenzeugnisse anhört, kann man den Eindruck bekommen, dass Amy Chua mit ihrem Buch – jedenfalls für deutsche Eltern – so falsch nicht liegt.

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