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Volker Kauder.

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Volker Kauder: Es gibt nicht gute und schlechte Embryonen

Wenn wir die Präimplantationsdiagnostik (PID) zulassen, droht die Selektion menschlichen Lebens, meint der Vorsitzende der Unions-Fraktion im Bundestag. Ein Gastkommentar.

Im Deutschen Bundestag beginnen am Donnerstag die Beratungen über die Zulassung der Präimplantationsdiagnostik (PID). Es ist eine Debatte, die weit über den Tag hinausweist. Sie betrifft den Kern der menschlichen Existenz. Mit der PID können sicher in einem sehr frühen Stadium menschlicher Existenz schwere Erkrankungen diagnostiziert werden. Aber die Methode ist für den Fall eines positiven Befunds auf die Vernichtung von Leben ausgerichtet. Es handelt sich daher um eine an die Wurzel unseres Verständnisses vom Leben in einer modernen Gesellschaft gehende Diskussion.

Im Bundestag werden sich bekanntlich im Wesentlichen zwei Gruppen gegenüberstehen. Die eine, die die PID in mehr oder weniger engen Grenzen zulassen möchte. Die andere, die dies ablehnt. Für mich gibt es in dieser Debatte einen klaren Ausgangspunkt. Wer über das Für und Wider der PID nachdenkt, kann nur beim Rang des menschlichen Lebens ansetzen.

Christen begreifen jeden Menschen als ein Geschöpf Gottes. Er ist nach seinem Ebenbild geschaffen. Dementsprechend hat für uns Christen der Schutz des menschlichen Lebens eine überragende Bedeutung. Unsere Verfassung drückt dies entsprechend in seiner obersten Wertentscheidung aus: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Niemand hat das Recht, über anderes menschliches Leben zu verfügen. Die Bedeutung der menschlichen Würde zwingt uns zum Handeln: Wir sind demnach aufgerufen, menschliches Leben bestmöglich zu schützen. Dies gilt besonders für die sensiblen Phasen des menschlichen Lebens am Anfang und Ende, wenn der Mensch noch nicht oder nicht mehr über sein eigenes Leben bestimmen kann. Diese Wertentscheidungen lassen für mich nur einen Schluss zu: Die PID muss in Deutschland verboten werden.

Ich wende mich dabei gegen jede Relativierung menschlichen Lebens: Menschliches Leben beginnt nach meinem Verständnis mit der Verschmelzung von Ei und Samenzelle – egal ob im Mutterleib oder in der Petrischale. In diesem Moment wird neues Leben geschaffen. Danach – während der weiteren Entwicklung des Embryos – gibt es keinen entscheidenden Qualitätssprung mehr. Deshalb kann man nicht zulassen, dass schutzlose Embryonen im Reagenzglas in gute und schlechte, in gesunde und kranke, in lebenswerte und lebensunwerte unterteilt werden. Niemand darf entscheiden, welcher Embryo in den Mutterleib eingepflanzt wird und welcher nicht.

Natürlich habe ich großes Verständnis für die Nöte von Eltern, die sich ein gesundes Kind wünschen und dies wegen genetischer Veranlagungen auf natürlichem Wege nicht bekommen können. Ihnen muss mit Rat und Unterstützung zur Seite gestanden werden. Die Hilfe für sie kann aber nicht darin bestehen, dass man ungeborenes Leben selektiert.

Wenn wir die PID jetzt zulassen, machen wir eine Tür auf, ohne zu wissen, was sich dahinter verbirgt. Wenn wir jetzt zulassen, dass bestimmte Embryonen mit schweren Erbkrankheiten aussortiert werden, können morgen vielleicht Kinder nach Geschlecht oder Augenfarbe ausgewählt werden.

Befürworter der PID ziehen – um die Verwerfung von Embryonen zu rechtfertigen – häufig eine Parallele zur Abtreibung, die unter bestimmten Umständen rechtlich erlaubt ist. Bei der Abtreibung geht es aber nicht um die Selektion von Leben, sondern um die seelische Belastung der Mutter, die sich in einem schweren Konflikt befindet. Damit sind die beiden Fälle nicht vergleichbar.

CDU und CSU machen es sich nicht leicht im Ringen um die richtige Haltung zur Präimplantationsdiagnostik. Auf dem CDU-Parteitag in Karlsruhe im November haben die Delegierten mit großem Ernst diskutiert. Am Ende ergab sich eine knappe Mehrheit für ein Verbot.

Gerade weil das Thema eine Grundsatzfrage ist, haben wir im Bundestag den Fraktionszwang aufgehoben. Jeder Abgeordnete soll allein nach seinem Gewissen entscheiden. Ich würde mir allerdings wünschen, dass die Mehrheit am Ende für ein Verbot stimmt – aus Respekt vor dem Leben.

Der Autor ist Vorsitzender der Unions-Fraktion im Bundestag.

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