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Meinung: Anders als zu Kaisers Zeiten

„Preußen wird grün“ vom 19. Mai Häufig bin ich Herrn Martensteins Meinung, nicht aber heute.

„Preußen wird grün“ vom 19. Mai

Häufig bin ich Herrn Martensteins Meinung, nicht aber heute. Die Berliner Verwaltung lehnt es ab, eine zweckgebundene Spende anzunehmen, um damit das Privatvergnügen der erwähnten Hausgemeinschaft zu finanzieren. Ich finde das ganz hervorragend und unter den preußischen Tugenden erheblich wichtiger als Pünktlichkeit. Ich wäre beispielsweise auch dagegen, wenn – sagen wir – Warren Buffet den Weiterbetrieb des Flughafens Tegel finanzierte und zudem noch den besten denkbaren Schallschutz in Reinickendorf, Spandau und Pankow bezahlte, auch wenn Berlin damit ein Riesengeschäft machte. Zumal dieses Geschäft dann ohne demokratische Legitimation erfolgen würde, sondern ganz unbürokratisch durch einen Verwaltungsbeamten abgesegnet würde. Fänden Sie das gut? Oder der Vorstandsvorsitzende von Porsche schenkte jedem Berliner Senator einen reichlich motorisierten Porsche-Cayenne, weil er deren ästhetischen Wert für fördernswert hielte. Berlin bräuchte dann nichts mehr für Dienstwagen zu zahlen. Wäre ich trotzdem dagegen, ganz eindeutig. Natürlich kann man trefflich streiten über den Widerspruch von ökonomischen und vielleicht ökologischen Vorteilen gegenüber ästhetischen Werten. Das ist ganz schwierig, denn vor allem Letzteres ist nicht messbar und somit ist kein objektives Urteil möglich. Dennoch würde wohl niemand darauf kommen, die Neue Nationalgalerie zu schließen, um Heizkosten zu sparen und den Kohlendioxidausstoß zu senken, obwohl die Bilder dort vielleicht gar nicht jedem gefallen. Aber ganz so eindeutig ist es eben häufig nicht. Dass Verwaltungen irgendetwas nicht einfach so machen, ist in der Tat eine Errungenschaft, die zu unserer Demokratie gehört. Entscheidungen werden eben woanders getroffen. Das geht langsam, und häufig ist das Ergebnis nicht einmal gut. Aber anders als zu Kaisers Zeiten dürfen Sie heute gegen solche Entscheidungen etwas in der Zeitung veröffentlichen, eine Bürgerinitiative oder sogar eine Partei gründen. Sie können mithilfe der Mehrheit zum Beispiel dafür sorgen, dass die Gaslaternen erhalten bleiben oder wieder eingeführt werden. Und das ist alles gut so. Dass nun keine Hollywoodschaukeln und Kanu-förmigen Blumenkübel in Kreuzberg erlaubt sein sollen, finde ich allerdings auch bedauerlich.

Elmar Hagemeyer, Berlin-Frohnau

Das von politischen Machtverhältnissen offenkundig wenig zu beeindruckende Eigenleben der preußischen Bürokratie ist wirklich ein erregendes Thema,

nicht nur in Preußen. Kürzlich hat im Hessischen eine rührige Hausgemeinschaft ihre Fassade begrünt. Sonniger Tag, Kinder, Kuchen, alle pflanzten mit und es herrschte Freude und Zuversicht. Aber dann stellte das Tiefbauamt fest: Der Boden direkt vor der Fassade gehört dem Amt, nicht der Hausgemeinschaft. Die Pflanzen mussten wieder herausgerissen werden.

Neulich hörte ich von einer internen Verfügung zum Umgang mit dem Krankenstand in einem Bezirksamt. Drei Tage sind erlaubt, die man bei Unpässlichkeit ohne ärztliches Attest zu Hause bleiben darf. Pro Monat. Man könnte Bücher mit solchen Geschichten füllen. Was halten Sie alternativ von folgendem Gedanken: Man gründet eine Partei. Einzige Forderung: Nicht nur die Politiker, auch höhere Beamten sollten sich alle vier Jahre der Wahl stellen. Denn gerade beim höheren Beamten fehlt komplett die Einflussnahme durch uns, die „Bevölkerung“. Das ist doch ganz undemokratisch. Und man sieht, was dabei herauskommt. Die Pariser Kommune war da schon weiter. Natürlich soll aber der Boden unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung nicht verlassen werden.

Dr. Enrico Mönke,

Berlin-Wilmersdorf

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