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Hat geschickt taktiert: Angela Merkel.

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Angela Merkel und die große Koalition: Kluges Taktieren statt Orang-Utan-Gehabe

Auch wenn sie sich den Triumph nicht anmerken lässt: Angela Merkel hat in den vergangenen Wochen klug verhandelt. Jetzt hat sie nicht nur die Wahl gewonnen - sondern auch alle Chancen, dass ihre CDU aus diesem Bündnis fröhlicher herauskommt, als sie hineingeht.

Von Robert Birnbaum

Man könnte fast glauben, sie hat die Wahl verloren. Oder zumindest die Koalitionsverhandlungen. Wochenlang war Angela Merkel praktisch unsicht- und unhörbar. Als sie dann gemeinsam mit den künftigen Partnern nach einer langen Nacht endlich kurz aus der Versenkung auftauchte, waren zwei aufgekratzte Herren zu besichtigen und dazwischen eine immer noch recht wortkarge Frau. Müde war sie obendrein. Nach 41,5 Prozent sah das nicht aus.

Nun hat, was Angela Merkel angeht, der Anschein bekanntlich schon öfter getäuscht. Das Orang-Utan-Gehabe liegt der CDU-Chefin eh nicht; ihre Gesten der Macht sind unauffällig. Stellt man dies in Rechnung, liest sich das Bild des Trios etwas anders. Sigmar Gabriel hat es nötig, sich als Zufriedener zu präsentieren, damit nicht die SPD-Basis seine Karriere abrupt beendet. Seine fragile Seelenlage hat er dann in jenem Fernsehinterview aufgedeckt, das im Stil an den Klartexter Peer Steinbrück anknüpfte. Bei Horst Seehofer ist breites Lächeln sowieso bedeutungslos – er pflegt selbst auf Niederlagen mit dem Satz zu reagieren, dass er sehr zufrieden sei.

Merkel hat den CSU-Chef übrigens mit einer scheinbar harmlosen Antwort zur Pkw-Maut auf Maß gestutzt: In ihrem Kabinett werde jedes dort eingebrachte Gesetz auch beschlossen, wenn es gut sei. In Orang-Utan übersetzt heißt das: Hier ist mein Revier mit meinen Regeln – glaub’ bloß nicht, du kannst dich durchmogeln.

Sie hatte die Wahl gewonnen, aber nicht die Macht

Tatsächlich hat Merkel klug ge- und verhandelt. Sie wusste, sie hatte die Wahl gewonnen, aber nicht die Macht. Die Macht hat ihren Preis. Der Preis bemisst sich in Fairness-Punkten. Deshalb findet Gabriel sehr viele SPD-Überschriften aus seinem Wahlprogramm im Koalitionsvertrag wieder. Und auch im Kabinett wird die SPD gewiss ganz gut vertreten sein.

Das ist für manche CDU-Politiker schwer zu verdauen, die am liebsten nach der Wahl auch noch die Koalitionsverhandlungen krachend gewonnen hätten. Aber wo eine Regierung endet, die mit der Demütigung des kleineren Partners anfängt, haben wir die vergangenen vier Jahre lang erleben dürfen. Klug war das nicht, aber nötig, weil die FDP vom Steuersenkungstraum nicht lassen wollte. Gabriel war klüger und hat seine Steuererhöhungsträume zuletzt fallen lassen.

Optionszwang bei der Staatsbürgerschaft erschwert Integration

Merkel hat das honoriert. Sie hat dafür für ihre Europapolitik alle Beinfreiheit erhalten, die sie braucht, in der Finanzpolitik den Ruf der schwäbischen Hausfrau bis auf Weiteres gewahrt und viele der SPD-Projekte um kleine, aber nicht unwichtige Elemente entschärft. Da kann es der CDU-Chefin egal und in manchen gesellschaftspolitischen Fragen sogar recht sein, wenn ihre dritte Koalition auch sozialdemokratische Politik macht. Die SPD wird ihr da noch viel Arbeit abnehmen, die sie sonst in der CDU selbst hätte leisten müssen. Nach einem Mindestlohn rufen ja längst auch viele Wirtschaftszweige, die sich gegen Dumping-Konkurrenz behaupten müssen. Der bisherige Optionszwang im Staatsbürgerrecht taugt nicht dazu, Integration zu erzwingen, sondern erschwert sie.

Jetzt muss Merkel das Regieren gewinnen

Merkel hat die Wahl gewonnen. Als Nächstes muss sie das Regieren gewinnen. Das wird schwierig genug. Seehofers CSU treibt jetzt schon absolute Bayern-Zuerst-Politik. Die SPD wird noch öfter merken, was da genau unter der Überschrift steht, die ihr so heimelig vertraut vorkommt. Die Länderfürsten werden erstaunlich rasch vergessen, dass sie allesamt mitverhandelt haben, und jedes Mal von vorne um jeden Euro für die klamme Länderkasse feilschen.

Trotzdem, Merkel hat alle Chancen, dass ihre CDU aus diesem Bündnis fröhlicher herauskommt, als sie hineingeht. Die große Volkspartei dürfte dann der kleineren Volkspartei SPD wieder etwas ähnlicher sehen (und übrigens zugleich der CSU, die das schon lange so hält). Die berühmte asymmetrische Demobilisierung ist ja in Wahrheit kein Wahlkampfkonzept. Dass und wie Merkel die Wahl gewonnen hat, war das Werk ihrer acht Regierungsjahre. Da, nicht erst im Wahlkampf ist das Bild der nüchternen Krisenabräumerin entstanden, die zu den Zänkereien des politischen Alltags leise ironisch Distanz hält.

Auch Sigmar Gabriel hat Chancen

Umgekehrt wird es für die SPD viel schwerer, den Anschluss an die Mitte zurückzugewinnen. Noch schwieriger, gleichzeitig eine rot-rot-grüne Regierung gesellschaftsfähig zu machen. Auch Sigmar Gabriel hat Chancen. Aber er wird sich mehr anstrengen und weniger rumbellen müssen. Mit der Ausgangslage kann Merkel also ganz zufrieden sein; und das nicht bloß im Seehoferschen Universalsinn.

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