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Meinung: Angriff der Terrormücken

Von Roger Boyes Mein persönliches – allerdings nicht im Fernsehen ausgestrahltes – Duell der Woche war das mit einer Mücke, culex pipiens. Oder vielleicht aedes vexans.

Von Roger Boyes

Mein persönliches – allerdings nicht im Fernsehen ausgestrahltes – Duell der Woche war das mit einer Mücke, culex pipiens. Oder vielleicht aedes vexans. Diese Blutsauger bleiben selten lang genug, um genau analysiert zu werden. Die eine, die ich zu fangen imstande war, schien bei näherer Betrachtung recht schön zu sein: Ihre Flügel ähnelten Milchglasscheiben, das Design des Insekts – wie Laurenz Mayer dem Prinzip des Angriffs untergeordnet – war leicht und elegant.

Die große Moskito-Invasion hat mich keineswegs überrascht, denn ich bin „Spiegel“-Leser und die Titelseite (etwas seltsam unterhalb eines Bildes von Schröder und Stoiber) kündigte an: „Der Sommer der Blutsauger“. Nun steht man „Spiegel-Titeln“ während des Sommers natürlich immer skeptisch gegenüber (Hitler, nackte Frauen), aber dieses Mal lagen sie richtig. In den Tagen, als der Artikel erschien, wurde ich zwölf mal gestochen – als wäre ich eine Art Mücken-Mensa. Der „Spiegel“ übernahm sogleich die Rolle des Mücken-Killers.

Die ehemals weißen Wände meiner Wohnung werden nun von Rauschenberg-ähnlichen Studien geschmückt: hier ein Klecks Blut (mit Sicherheit meins), dort ein abgetrennter Flügel und dazu der klebrige verwischte Abdruck eines Nachrichtenmagazins. Diese gefährlichen Kreaturen rücken Johannesburg ein wenig näher an Berlin heran. Schließlich existiert da die Erklärung, dass die globale Erwärmung Hochwasser verursacht und die Kombination aus dreckigem Wasser, Sonne und Feuchtigkeit ein Sex-Paradies für Insekten bereitet, eine Art Ibiza für Mücken. Nach der Sintflut die Moskitos. Aber als ein Mitglied der Post-Grünen-Generation kann ich eine solch banale Analyse nicht akzeptieren.

Moskitos sind Waffen gegen Menschen, ganz besonders gegen Menschen wie mich – Grunewald-Bewohner mit hohen Cholesterinwerten. Waffen sind keine zufälligen Nebenprodukte von Klimaveränderungen: Sie werden von einer bösen Intelligenz geführt. Zwischen 1945 und 1960 arbeitete das amerikanische Programm zur biologischen Kriegführung an einem Plan, Moskitos (aedes aegypts) einzusetzen, um Gelbfieber in der Sowjetunion und China zu verbreiten. Die Operationen wurden Big Buzz und Magic Sword genannt und wurden erst beendet, als Nixon die offensive biologische Kriegführung 1969 stoppte. Wir wissen, dass Nixon ein distanziertes Verhältnis zur Wahrheit hatte. Vielleicht gingen die Tests weiter, vielleicht sind die Geheimnisse in die falschen Hände geraten.

Also wer kommt dafür in Frage, die Mücke als Bio-Waffe einzusetzen? Der offensichtliche Kandidat ist Saddam Hussein. Die B2-Mückenkarte – momentan in meinem Büro aufgehängt – zeigt, dass sich die Mücken in Tiergarten konzentrieren, innerhalb kürzester Flugdistanz zu Kanzleramt und Reichstag. Sie können den Schweiß ihres Opfers aus 70 Metern riechen; sie können durch jede Sicherheitskontrolle schlüpfen. Wenn sie mit dem West-Nil-Virus geladen sind, könnten sie die ganze politische Klasse mental paralysieren. Vielleicht haben sie sogar schon zugeschlagen. Es ist dringend Zeit für einen präventiven Krieg gegen Bagdad. Es gilt jetzt wirklich, keine Zeit mehr zu verlieren.

Der Autor ist Korrespondent der „Times“.

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