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Anti-Atom-Aktivist Jochen Stay: "In der Regierung sind Grüne eher schädlich"

Die Grünen-Spitze will dem Atomausstiegsplan der Regierung zustimmen. Scharfe Kritik kommt vom Sprecher der Anti-Atom-Organisation "Ausgestrahlt", Jochen Stay.

Von Hans Monath

Im Privatleben würde man von angedrohtem Liebesentzug sprechen: Massiv haben Umweltverbände und Anti-Atom-Initiativen die Grünen davor gewarnt, auf ihrem Parteitag am Samstag dem Ausstiegsplan der Regierung zuzustimmen. Gezeichnet hat den Aufruf an erster Stelle Jochen Stay von „Ausgestrahlt“, seit vielen Jahren Cheflogistiker und Sprecher der Bewegung.

Die Grünen dürften der Drohung mit einer gewissen Gelassenheit begegnen. Einen Bruch mit der Anti-Akw-Bewegung hat die Ökopartei schon einmal überlebt, ohne Schaden zu nehmen. Weite Teile der Anti-Akw-Szene beschimpften sie als Verräter, als sie im Jahr 2000 mit den Energieversorgern den Atomausstieg vereinbarte. Die Partei verteidigte danach sogar offensiv Castor-Transporte gegen die Kritiker. Der Atomkonsens sei keiner, urteilte Stay damals: „Trittin ist das Regieren wichtiger als der Ausstieg.“

Zudem unterscheiden sich die politischen Koordinaten Stays von denen der meisten Grünen. Dass man aus der Regierung heraus besser gestalten kann, bestreitet in der Partei nicht einmal mehr eine qualifizierte Minderheit. Dagegen pflegt Stay sein Grundmisstrauen gegen jede Form von politischer Macht und seinen Grundsatzglauben an die Notwendigkeit von Widerstand auf der Straße. Das Parlament ändere die Menschen mehr als die Menschen das Parlament, hat er vor Jahren gewarnt und hinzugefügt: „In der Regierung sind Grüne eher schädlich.“

Nicht nur die älteren Grünen wissen zudem, dass die Anti-Akw-Bewegung immer Konjunkturen unterlag. Erst die schwarz-gelbe Laufzeitverlängerung im Herbst mobilisierte wieder 50 000 Protestierer, so viele marschierten zuletzt in den 80er Jahren. Manche Demonstranten, die Stays Organisationsarbeit auf die Straße brachte, dürften mit dem nun Erreichten zufrieden sein. Jenseits des harten Kerns der Bewegung und jenseits des Wendlands, wo der Widerstand in vielen Haushalten zur Familiengeschichte gehört, könnte nach dem Konsens zum Ausstieg das Interesse am Thema erlahmen.

Wenig spricht deshalb dafür, dass Stay und seine Freunde auf dem Parteitag die Mehrheit hinter sich bringen. Seinem Sendungsdrang dürfte ein Ja zu Merkels Ausstieg dennoch wenig anhaben. Schon immer war Stay überzeugt, dass kein Protest umsonst ist und es sich lohnt, Widerstand zu leisten. „Ich habe gelernt“, sagte er im Herbst, „dass es richtig ist, optimistisch zu sein.“

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