zum Hauptinhalt

Apples Geheimnis: Die Ich-Maschinchen

Er revolutionierte die Kommunikation. Er erfand neue Tonträger. Er baute ein riesiges Unternehmen auf. Seine Erfindungen fügten sich auf geniale Weise zu einem System zusammen.

Von Anna Sauerbrey

Er wusste, Patente als Machtmittel zu nutzen und er veränderte die urbane Kultur. Steve Jobs, Erfinder, Unternehmer, Guru, ist am Mittwoch im Alter von nur 56 Jahren gestorben.

Das Netz ist am Tag danach voll von Dank, Hysterie und Trauer. „Danke, dass du mein Leben verändert hast und das von so ziemlich jedem auf dem Planeten“, twittert eine Samantha. Steve Wozniak, der Mitgründer von Apple und frühere Partner von Jobs, sagt, es sei wie nach dem Tod von John Lennon, von John F. Kennedy, von Martin Luther King. Viele schreiben: iGod ist tot. Drunter geht es nicht, wenn es um Apple geht. Das ganze Leben muss es sein, der Planet, die Transzendenz. Apple, das wird wieder deutlich am Tag nach Jobs Tod, ist mehr als Telefone und Computer. Es ist ein Symbol der urbanen Moderne, ein Kult, eine Religion.

Dass das so kommen konnte, liegt daran, dass Steve Jobs neben einem Gespür für die Technik auch ein Gespür für den Zeitgeist hatte. Er packte die urbanen Hipster in New York und Berlin, in São Paulo und Peking bei ihrer infantilen Seite. Er gab ihnen Spielzeug, Geräte, die wenig Mehrwert, aber hohen Unterhaltungswert haben: Da haste. Geh buddeln im Netz. Und er packte sie bei ihrem Ego.

I Phone und i Pad sind kleine Abbilder eines ganzen Lebens. Man hat sich selbst dabei. Auf den Ich-Maschinchen sind die liebsten Bücher, die beste Musik, die Bilder von der ersten Freundin und von der Hochzeit mit einer anderen Frau, später. Das Smartphone ist Gerät gewordener Individualismus – oder die perfekte Illusion davon. Man kauft dann doch, was all die anderen kaufen.

Auch die sind schließlich immer dabei. Mit Apple ist man immer online, immer mit allen im Gespräch, immer überall präsent. Und weil Apple anfangs das Gegenstück zum grauen, eckigen PC war und sich als guter Antimonopolist stilisierte, darf man sich mit dem i-Dings sogar als Rebell fühlen. Mitten im kuscheligen Mainstream. Auch das ist praktisch.

Und wenn das iPad mal weg ist, geklaut in der U-Bahn oder irgendeinem der vielen anderen urbanen Risiken zum Opfer gefallen, ist dann auch das Ich weg?

Natürlich nicht. Es ist noch da – und vielleicht sogar weniger einsam als vorher. Indem man mit den neuen Kommunikationsgeräten, die Jobs perfektionierte, dauerhaft überall ist, zerstreut man sich über das Netz – und ist in der Realität immer häufiger allein. Die Apple-Jünger sind digitale Autisten, sie kommunizieren immer mit denen, die gerade nicht da sind. Und sie verlieren dabei die Anwesenden aus dem Blick.

Er revolutionierte die Kommunikation. Er erfand neue Tonträger. Er baute ein riesiges Unternehmen auf. Seine Erfindungen fügten sich auf geniale Weise zu einem System zusammen. Er wusste, Patente als Machtmittel zu nutzen. Er veränderte die urbane Kultur. Diese Sätze stammen aus einem Lexikon-Artikel über Thomas Alva Edison (1847–1931), der die Telegrafie verbesserte, der die Glühlampe erfand und gleichzeitig in Stromleitungen investierte. Edison baute die Electric Light Co. auf und ersann den Phonographen, er verteidigte seine Erfindungen in zahlreichen Patentstreitigkeiten und elektrifizierte New York. Der Mensch ist einzigartig. Und er ist es nicht. Diese Erkenntnis war der Grund für den Erfolg von Steve Jobs.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false