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Meinung: Arbeiter werden älter

Von Ursula Weidenfeld

Atemberaubend schnell und effizient hat die große Koalition den Streit um das Renteneintrittsalter beigelegt. Den hatte Arbeitsminister Müntefering erst am Wochenende ausgelöst, als er sagte, er könne sich vorstellen, den Zeitplan für die Rente mit 67 zu straffen. Die Empörung in den eigenen Reihen und beim Koalitionspartner war groß – schließlich wird im März in drei wichtigen Ländern gewählt. An diesem Mittwoch hat die Koalition den Streit fix begraben und sich da geeinigt, wo es üblich ist – in der Mitte.

Es ist absehbar, dass Schwarz-Rot diesen Entschluss mit größter politischer Energie gegen energischste Widerstände und den Protest der Betroffenen durchpauken muss – um dann in ein paar Jahren dasselbe noch einmal zu probieren. Denn das Versprechen, die Renten der heutigen Rentner nicht zu kürzen, legt die gesamte Last der Rentenreform auf die Schultern der unter 48-Jährigen. Sie werden länger arbeiten und aller Voraussicht nach dann auch noch die Rentenkürzungen erleben, die jetzt unterbleiben. Wer nicht bis 67 arbeiten darf oder will, wird hohe Rentenkürzungen hinnehmen müssen. Und diejenigen, die jetzt rechnen, dass sie dereinst schon mit 66,5 in Rente gehen können, sollten noch keine Pläne schmieden. Es wird noch einmal anders kommen. Insofern ist die Entscheidung von gestern zwar mutig, aber dennoch halbherzig.

Ein Zweites aber ist fast noch erstaunlicher als das Tempo, in dem die Koalition zu überraschenden Reformwendungen fähig ist: Es ist die Art, wie das Thema erledigt wird. Am Dienstag noch sagt der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Beck, immerhin SPD-Parteivize und Wahlkämpfer, das Thema bedürfe noch langer Debatten und sei keinesfalls entscheidungsreif. IG-Metall-Chef Peters – in der vergangenen Woche noch hatte SPD-Chef Platzeck warm um die Gunst der Gewerkschaften geworben – wetterte gegen die „Sackgasse Rente mit 67“. Und wen lässt das völlig unbeeindruckt? Den Arbeitsminister Franz Müntefering, der an einem trüben Mittwochvormittag mal eben allen zeigt, wer in der SPD immer noch das Sagen hat, auch wenn er alle Ämter aufgegeben hat: Franz Müntefering. Basta.

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