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Arcandor: Hilfe vor der Politik

An dem Schlamassel ist nicht die Finanzkrise schuld. Aber sie wirkt wie ein Brennglas. Alles spricht gegen Arcandor – trotzdem sollte der Handelskonzern gerettet werden.

Diesmal geht es ums Ganze, sagt der Vorsitzende des Aufsichtsrats. Der Chef des Betriebsrats spricht von Insolvenz. Die Banken drohen, die Kreditlinien nicht zu verlängern.

So war die Lage vor fünf Jahren bei Karstadt-Quelle, heute Arcandor. Der Aufsichtsratsvorsitzende hieß Thomas Middelhoff. Er wechselte kurz darauf aus dem Kontrollgremium an die Spitze des Handelskonzerns, vom Hintergrund in den Vordergrund, und verscherbelte, was zu verscherbeln war. Seine riskante Strategie entsprach dem Zeitgeist: Er wollte das Unternehmen mit Heuschrecken-Methoden auf seinen Kern reduzieren und so zu neuer Stärke führen. Seit gut drei Monaten ist er nun weg, und es zeigt sich, dass Arcandor eigentlich keinen Kern mehr hat. Das Eigenkapital ist weitgehend aufgezehrt, es drohen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung.

An diesem Schlamassel ist nicht die Finanzkrise schuld. Aber sie wirkt wie ein Brennglas – Probleme werden in diesen Zeiten zu Katastrophen. Das Schlagwort lautet Kreditklemme; es weist die Schuld den Banken zu, weil sie kein Geld geben. Aber kann man ihnen daraus einen Vorwurf machen? Gerade erst zeigte sich ja, dass sie Kredite über Jahre viel zu leichtfertig vergeben haben – einer der Ursprünge der Finanzkrise.

Wenn also die Probleme bei Arcandor nicht neu sind, wenn die Finanzkrise nicht schuld ist – was kann, darf, muss der Staat tun? Die ordnungspolitisch saubere Antworte wäre zweifelsfrei, die Karstadt-Mutter pleitegehen zu lassen. Märkte brauchen Erneuerung, und dazu gehört das Verschwinden erfolgloser Unternehmen.

Trotzdem kann es sich der Staat nicht so einfach machen: In Not geratenen Unternehmen muss geholfen werden, weil sonst mit ihnen Menschen in Not geraten. Aber es gibt Voraussetzungen für Hilfe: Der Staat darf nie allein ins Risiko gehen, sondern die Eigentümer oder Investoren müssen mittun. Gerecht ist das, im Zweifel billiger und auch ein Indiz, ob die Lösung Aussicht auf Erfolg hat. Den Konkurrenten darf sie nicht schaden, und der Rückzug des Staates muss absehbar sein. Im Fall Opel, nur nebenbei, ist keine dieser Voraussetzungen richtig erfüllt, und das kann die vermeintliche Rettung noch zu einer unangenehmen und unverhältnismäßig teuren Angelegenheit machen. Nach der Wahl.

Im Fall Arcandor müssen entweder die Eigentümer – die Privatbank Oppenheim und die Quelle- Erbin Madeleine Schickedanz – oder ein Investor wie der Kaufhof-Konzern Metro die Rettung mittragen. Erst dann macht staatliche Hilfe Sinn – und wenn sie Sinn macht, ist es nachrangig, ob sie aus diesem oder jenem Topf kommt, ob als Bürgschaft oder Kredit.

Die Entwicklung bei Opel und Arcandor lässt befürchten, dass bis zum September ein Krisenunternehmen nach dem anderen durch die Wahlkampfmühle gedreht wird. Damit richtet die Politik womöglich mehr Schaden an, als ihre Hilfe Nutzen bringt. Man mag jetzt pragmatische Lösungen statt Fensterreden fordern – aber das wird nichts. „Der Bundeskanzler muss die Lage im Einzelhandel zur Chefsache machen. Wir brauchen sofort ein Notpaket für die gesamte Branche“, verlangte FDP-Vize Rainer Brüderle. Vor fünf Jahren.

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