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Arcandor: Klare Kante

Insolvenz ist ein Wort des Schreckens. Die Chefs und Betriebsräte der Karstadt-Mutter Arcandor haben die vergangenen Wochen genutzt, um den Schrecken noch zu überhöhen. Doch staatliche Hilfen hätten das Elend nochmals auf Jahre verlängert.

Insolvenz ist ein Wort des Schreckens. Die Chefs und Betriebsräte der Karstadt-Mutter Arcandor haben die vergangenen Wochen genutzt, um den Schrecken noch zu überhöhen. Vom Untergang redeten sie, sie drohten und forderten, und manches Mal klangen sie wie Erpresser. Ultimaten wurden gestellt und dann verlängert. Mit dem Megaphon in der Hand erklomm der Vorstandsvorsitzende Karl-Gerhard Eick eine rote Leiter und versprach der Belegschaft Kampf bis zum Letzten. Solidarität war die Folge, aber auch Angst. Diese Angst muss den Beschäftigten nun schnell genommen werden. Der Kampf ist vorbei.

Allen Mahnwachen, Protestnoten und Demonstrationen zum Trotz lässt die Bundesregierung Arcandor in die Insolvenz rutschen. Es ist eine Prinzipientreue, die sie im Fall Opel noch empört zurückwies. Aber sie tut gut daran: Denn weder die Eigentümer noch die beteiligten Banken waren so sehr von Arcandor überzeugt, dass sie ausreichend Geld in den Konzern pumpen. Warum sollte dann der Staat an Arcandor glauben?

Thomas Middelhoff, Eicks verschrieener Vorgänger, nimmt für sich in Anspruch, den Konzern einst vor der Insolvenz gerettet zu haben. Doch auch wenn man ihm dubiose Immobiliendeals nicht zum Vorwurf machte (was schwerfällt): Saniert hat er nichts, sondern verkauft, gekauft und alles immer wieder neu zusammengesetzt. Der smarte Portfolioakrobat hat die Insolvenz nicht verhindert, sondern das Siechtum verlängert.

Seit Jahren schon tut sich das klassische Warenhaus schwer, Kunden anzulocken. Das Sortiment ist enorm, die Verheißung gering. Wen zieht es schon in die Kurzwarenabteilung, um einen Reißverschluss zu kaufen? Wer arbeitet sich gern von Etage zu Etage vor, an Wühltischen und Sammelkassen vorbei, wenn die Modekette oder das Outlet trendigere Ware auch noch billiger verkaufen. Sicher, es gibt Lichtblicke: Das KaDeWe und auch andere, vor allem größere Häuser des Arcandor-Konzerns haben ihre Rolle in dieser schnellen Konsumwelt behauptet. Aber das Gros funktioniert eben nicht.

Staatliche Hilfen hätten das Elend nochmals auf Jahre verlängert. Nun bietet sich die Chance eines Neuanfangs. Die Kaufhof-Mutter Metro möchte einen Großteil der Karstadt-Häuser kaufen, und auch für andere Teile des Arcandor-Konzerns stehen Interessenten bereit. Der Insolvenzverwalter kann jetzt reinen Tisch machen und zum Beispiel die offenbar überteuerten Mietverträge nachverhandeln. Mancher Lieferant wird Forderungen abschreiben müssen, aber vielleicht hilft ihm die Aussicht, dass ein Großteil der Karstadt-Häuser endlich eine dauerhafte Perspektive bekommt. Viele Arbeitsplätze können so gerettet werden.

Es ist die geordnete Insolvenz, für die Wirtschaftsminister Guttenberg bei Opel erfolglos geworben hat. Belächelt wurde er, verspottet und selbst aus den eigenen Reihen attackiert, obwohl sich inzwischen zeigt, dass die Zukunft des Autoherstellers trotz der Milliardenversprechen des Staates noch längst nicht gesichert ist. Nach dem Sündenfall Opel findet die Bundesregierung nun, nur wenige Wochen vor der Bundestagswahl, zur Vernunft. Das ist bemerkenswert. Möge sie sich – gemeinsam – Münteferings Motto „Klare Kante und heißes Herz“ zu eigen machen: Klare Kante gegen Milliardenhilfen, die keinen Sinn machen, heißes Herz für die Belange der Beschäftigten, der Menschen. Zusammenhalt tut not. Denn die Wirtschaftskrise, so lange sie noch dauern mag, darf die Gesellschaft nicht zerreißen.

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