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Meinung: Architektur als Spiegel

„Die Geschichte unter dem Gras“ vom 9. August Den Begriff Original sollte man nicht verwenden.

„Die Geschichte unter dem Gras“

vom 9. August

Den Begriff Original sollte man nicht verwenden. Ein Jahrhunderte altes Bauwerk verändert sich oft erheblich. Die aktuellen Besitzer/Bauherren haben den Geschmack der Zeit, der wenig Denkmalwürdiges im ererbten Gemäuer erblickt. So wurden nacheinander die Gotik, die Renaissance, der Barock aus Berlin usw. verdrängt. Auch dieses Schloss im Berliner Zentrum hatte ja mindestens einen Vorgängerbau, einen Renaissancebau.

Viele Ruinen, alte Burgen, Schlösser, Kirchen sind ja nicht zerstört worden, sondern aufgegeben oder auf Abbruch verkauft und von den Zeitgenossen zur Gewinnung von Baumaterial regelrecht ausgeweidet worden. Man scheute sich auch nicht, repräsentative Gebäude jahrzehntelang zu vernachlässigen oder sie bürgerlichen Nutzern als Fabrikgebäude zu überlassen. Was den Bauten nicht gut bekam.

Es gab Schlösser, die als Gefängnis dienten. Gesetzt den Fall, wir hätten noch einen Kaiser. Das Schloss würde ihm gehören und die Unterhaltskosten auch? Was würde er damit machen. Darin wohnen? Bestimmt nicht, er würde moderner wohnen und das Schloss dem Staat generös als Museumsbau schenken. Das Gebäude wurde ja schon vor 1945 u. a. als Museum genutzt. Nach 1945 war ein großer Teil schwer beschädigt, aber die noch zur Verfügung stehenden Räume wurden weiterhin genutzt.

Die meisten Menschen heute passen ohnehin gut zur gegenwärtigen Architektur. Sie ist ihr perfekter Spiegel. Das ist keineswegs positiv gemeint. Wir werden noch erleben, dass ganz andere Bauten aufgegeben werden. Gebaut vor Jahrhunderten und erhalten über Jahrhunderte, vernachlässigt und verfallen im 21. Jahrhundert.

Manfred Albrecht, Berlin-Köpenick

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