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ARD, ZDF und Internet: Attacke auf die Schriftwelt

Durch hippe Plattformen das junge Publikum anlocken: ARD und ZDF investieren in ihre Online-Auftritte, ohne dabei ein Risiko zu tragen - schließlich ist über die Rundfunkgebühr das Geld ohnehin in der Kasse. Schon weil privatwirtschaftliche Medien benachteiligt sind, verbietet sich eine Expansion im All-inclusive-Format.

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk will für alle in diesem Land da sein. Das funktioniert nicht. Der Fernsehzuschauer des ZDF ist 61 Jahre alt. Das ARD-Radio verliert massiv bei Hörern, die jünger sind als 20. In ihrer Panikattacke haben die Intendanten mit dem Schlachtruf „Online first“ reagiert. Das Internet, seine technologischen Möglichkeiten, seine Plattformen, der hippe Schwung des Web 2.0 soll das junge und jung gebliebene Volk anlocken. Neuester Schrei wird die „Tagesschau“ sein, die ab 16. Juli aufs Handy geladen werden kann.

Nichts dagegen, wenn die Sender ihre Gebührenzahler auf allen Vertriebswegen zu erreichen suchen. Die „Tagesschau“ mobil macht Fernsehen mobil. Doch www.tagesschau.de zeigt zwar Elemente von Fernsehen, soll aber immer deutlicher ein Online-Portal im Zuschnitt einer Online-Zeitung werden. Bilder, Töne gehören zu diesem Angebot ebenso wie Texte. Es regiert das geschriebene Wort und damit die gelesene Information. Der Auftrag von ARD und ZDF lautet Radio und Fernsehen. Dafür werden jährlich über sieben Milliarden Euro an Gebühren eingenommen. Die Online-Auftritte dürfen bislang nur programmbegleitend ausfallen, ihre Etats sind mit 0,75 Prozent des Gebührenaufkommens gedeckelt. Die Politik hat bereits akzeptiert, dass diese Grenze fallen soll, entsprechend haben ARD und ZDF eine massive Ausweitung ihres Online-Engagements angekündigt.

Eine Investition ohne Risiko: Über die Rundfunkgebühr ist das Geld für die Anstalten schon in der Kasse, wo die privatwirtschaftlichen Medien im Internet tragfähige Geschäftsmodelle erst entwickeln müssen. Zugleich wird die nächste Erhöhung der Monatsgebühr das individuelle Medienbudget weiter belasten; beides zusammen läuft auf eine fortgesetzte Wettbewerbsverzerrung zwischen öffentlich-rechtlichem Rundfunk und Zeitungsverlagen hinaus.

Zwischen tagesschau.de und tagesspiegel.de muss ein glasklarer Unterschied bestehen. Nicht die Plattformen sind das Thema, es sind die Inhalte, die online gestellt werden. Die Website tagesschau.de kann nur eine Fortsetzung, eine Verlängerung der aktuellen Fernsehnachricht sein. Das rasch Versendete verstehbar machen. Das ARD-Portal ist dann eine Ergänzung zur „Tagesschau“, eine Expansion in ein All-inclusive-Format verbietet sich. Die Grundversorgung muss nicht online, sie muss bei der „Tagesschau“ selbst geleistet werden. Der angestrebte Ehrgeiz einer stündlich aktualisierten Nachrichtensendung fürs Handy dagegen setzt einzig und allein auf Tempo. Die Beschleunigung der Welt um den Preis ihrer Verkürzung und Simplifizierung: Das darf nicht der Auftrag von ARD und ZDF sein.

Ihr Auftrag heißt die Vermessung der Welt in den Formaten des Fernsehens und des Radios. Online im Beipack und fern einer dritten Säule des öffentlich-rechtlichen Systems. Wer die Programme von ARD und ZDF einschaltet, der wird nicht von Qualität erschlagen. Hier sind riesige Aktionsflächen für Geld und guten Willen, auf dass die akute Verwechslungsgefahr mit RTL & Co. gebannt wird. Schon kündigt der ARD-Vorsitzende Fritz Raff an, dass die Sender den Online-Ausbau durch Umbau in den Etats finanzieren wollen. Jede Wette, dass die Krachmacher vom „Musikantenstadl“ von allen Sparmaßnahmen verschont bleiben.

Die Internetexpansion von ARD und ZDF, ermuntert von der öffentlich-rechtlich hofierten Politik, könnte eines nahen Tages auf die lokale Ebene übergreifen, das Kerngeschäft, die Überlebensformel deutscher Zeitungshäuser. Kann mal schon jetzt einer Stopp rufen, damit das Nebeneinander von Rundfunk und Presse zukunftsfest wird? ARD und ZDF dürfen nur dorthin expandieren und nur dort wildern, wo es ihnen die Ministerpräsidenten im Vorweg gestattet haben.

ARD und ZDF haben Probleme mit der Jugend. Da wäre beim Kernauftrag, bei der Programmarbeit, viel gutzumachen. Über ein tagesschau.de, das zur „Tagesschau“ führt. Damit’s ein öffentlich-rechtlicher Kreislauf bleibt.

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